Wenn die Fotografie überall so gefeiert würde, wie jedes Jahr in Arles in Südfrankreich, dann gäbe es keine Krise im Foto-Business. Auch wenn ich nicht dabei sein konnte, strömte durch die sozialen Medien Begeisterung, Engagement und der unerschütterliche Glaube an die Fotografie direkt zu mir ins Office und sorgte für gute Laune. Ein krasser Gegensatz zur Stimmung mancher Fotografinnen und Fotografen dieser Tage, die mit ihrer Auftragssituation kämpfen und darüber schon mal Laune und Begeisterung verlieren. Dass das Foto-Business wie viele andere Unternehmen auch ein strategisches Herangehen benötigt, um Gewinn abzuwerfen, ist mittlerweile vielen bewusst. Damit wir auch das Foto-Business wieder feiern können, braucht es mehr Entscheidungskraft und Mut.
Für einen Workshop zum Thema Positionierung und Sichtbarkeit im Kreativ-Business für die Creative Business Academy in Hamburg habe ich zum Zweck der Durchleuchtung meiner eigenen Positionierung als Coach und Beraterin die Künstliche Intelligenz befragt. Die Geschäftsmodelle der Kreativen sind sehr unterschiedlich, und ich wollte eine gute Übung zu diesem Thema vorbereiten. Dabei fiel mir die SWOT-Analyse ein, ein strategisches Planungstool, das Unternehmen dabei hilft, ihre Stärken (Strengths), Schwächen (Weaknesses), Möglichkeiten (Opportunities) und Risiken (Threats) herauszufinden, zu bewerten und davon abgeleitet, eine Strategie zu entwickeln. Diejenigen von Ihnen, die ihr Unternehmen selbst schon einmal hinterfragt haben, vielleicht mit Beratung, kennen vermutlich nützliche Tools, wie zum Beispiel das Business Model Canvas oder die SWOT-Analyse.
Auf meinen Wunsch hat die KI auch das Geschäftsmodell einer Businessfotografin im Bereich Portraits und Reportagen für Unternehmen durchleuchtet und als Stärken bestätigt, dass die Fotografin eine klare inhaltliche Spezialisierung hat und damit eine Zielgruppe, die einen wachsenden Bedarf an hochwertigem Bildmaterial hat. Die Nähe zu den Kunden, die direkte Kommunikation
und ein persönlicher Stil in der Bildsprache gepaart mit ihrer Erfahrung, Menschen authentisch darzustellen, wurden ebenso als Stärken ausgemacht.
Bei den Schwächen zeigte sich jedoch, dass sie von einer schwankenden Auftragslage abhängig ist und über keine skalierbare Einkommensquelle verfügt, wenig überraschend. Die Kundenakquise und das Marketing sind zudem zeitintensiv und alle unternehmerischen Aufgaben lasten auf ihrer Person.
Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus für die Fotografin? Neben einer wachsenden Nachfrage nach authentischem Content am Markt könnte die Fotografin Zusatzleistungen wie Beratung oder Bildkonzepte anbieten und sich als Expertin für sichtbare Unternehmenskultur vermarkten. Dazu langfristige Kundenbeziehungen mit „Wartungsverträgen“ oder Abo-Modellen aufbauen. Bei Wartungsverträgen musste ich an meine Waschmaschine denken, die das tatsächlich gebrauchen könnte, aber hier handelt es sich um Rahmenverträge, die eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Kunden festlegen, zum Beispiel alle Vierteljahr Content Pakete, Update-Shootings oder Medien Service beinhalten. Anstatt nur einmal ein Shooting zu verkaufen, auf eine langfristige Kundenbindung setzen. Und was viele Fotografinnen und Fotografen wenig auf dem Schirm haben, sind Kooperationen mit Agenturen, Designern oder anderen Kreativen für ganzheitliche Angebote.
Soweit klingt vieles nachvollziehbar und clever, nachdenklich stimmen allerdings die Risiken, die aus meiner Sicht auch andere Bereiche der Fotografie betreffen: Starke Konkurrenz durch Anbieter mit Dumping-Preisen, unsichere Kundenbudgets durch wirtschaftliche Schwankungen, Stress durch hohe Anforderungen an Flexibilität, Reisetätigkeit und Verfügbarkeit und erschwerte Honorargestaltung durch fehlende Preisdisziplin im Markt.
Das Resümee der SWOT-Analyse und die strategischen Empfehlungen auf der Basis dieses Fallbeispiels waren eindeutig, besonders aufgefallen ist mir dabei der Punkt „Onboarding-Prozesse“ einzuführen. Kundinnen und Kunden besser abholen und aufnehmen zum Beispiel durch automatisierte Angebotspakete, Ablaufpläne, einen Briefing-Bogen oder ein Kick-off-Gespräch sowie Checklisten und Guides zur Vorbereitung für das Team des Kunden. Dazu zählen auch enge persönliche Kommunikationsprozesse, die dem Kunden Entscheidungen erleichtern und Mehrwert und Nutzen der Zusammenarbeit transparent machen.
Sicher, alles zusammen macht die ideale Strategie für eine zeitgemäße und erfolgreiche Positionierung in der Businessfotografie aus, aber damit künftig nicht nur in Arles gefeiert wird, braucht es zudem Risikofreudigkeit, Engagement und Durchsetzungskraft, um die eigene und authentische Strategie zu leben.
Und wann feiern Sie?
Silke Güldner coacht Fotografinnen und Fotografen dabei, ihr Potenzial und ihre Kompetenz im Foto-Business zu entwickeln, zu präsentieren und zu verkaufen.
Foto oben: © Sophie Gutberlet









