Seit vier Jahrzehnten sammelt der in München lebende Schriftsteller, Publizist und Ausstellungskurator Hans-Michael Koetzle – 2022 Kulturpreisträger der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) – Arbeiten internationaler Fotografinnen und Fotografen. Erstmals wirft die Städtische Galerie Iserlohn vom 8. November 2025 bis 15. Februar 2026 einen Blick auf die Sammlung und würdigt sie damit als ein über Jahrzehnte gewachsenes „Gebäude“ von eigener Originalität.
- Horst H. Baumann, Schwimmoper, Wuppertal ohne Jahr (circa 1958)
- Anton Stankowski, ohne Titel, 1933
- Louis Stettner, Fifties Graffiti, New York 1954
Hans-Michael Koetzle hat parallel zu seiner kuratorischen und publizistischen Arbeit begonnen, Fotografie vorzugsweise der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu sammeln. Ausschlaggebend war zunächst die Nähe zu bedeutenden Fotografinnen und Fotografen wie René Burri, Barbara Klemm, Louis Stettner, Horst H. Baumann, Robert Lebeck, Michael Friedel oder Roger Fritz, mit denen Koetzle immer wieder Buch- oder Ausstellungsprojekte realisieren konnte. Ausschlaggebend war der verführerische Charme originaler Abzüge, die eben nicht Abbildungen waren, pure Information, sondern Objekte mit einer Oberfläche, einem Gewicht und – nicht zu vergessen – einer Rückseite, deren Stempel, Beschnittmarken oder handschriftliche Vermerke Geschichten eigener Art erzählen. Und ausschlaggebend war die Erkenntnis, dass es in Zeiten komplexer werdender Leihverkehre, steigender Versicherungsgebühren und immer restriktiverer konservatorischer Gebote nicht ohne Vorteil war, wenn man als freier Kurator von einer eigenen Sammlung profitieren konnte.
Bereits bei der 1995 für das Münchner Stadtmuseum kuratierten, materialreichen Ausstellung zur Geschichte der legendären Zeitgeistzeitschrift twen konnte Koetzle auf Arbeiten aus der eigenen Sammlung zurückgreifen, neben Zeitschriften und Magazinen nicht zuletzt Vintage-Fotografien etwa von Peter Brüchmann, Ica Vilander, Ulrich Mack oder Will McBride. Auch Ausstellungen wie „Eyes on Paris – Paris im Fotobuch 1890 bis heute“ (2011), „Augen auf! 100 Jahre Leica Fotografie“ (2014), „Aprops Visionär – Der Fotograf Horst H. Baumann“ (2022) oder zuletzt „Will McBride – Die Berliner Jahre“ (2025) profitierten ganz wesentlich von Fotografien aus der Sammlung Koetzle, die mittlerweile rund 1000 Arbeiten auch von zeitgenössischen Fotografinnen und Fotografen wie Tom Wood, Bruce Gilden, Jock Sturges, Andréas Lang oder Paula Luttringer umfasst.
Koetzle, und hierin unterstützt von seiner Frau Michaela, sammelt einerseits mit Blick auf eine interessierte Öffentlichkeit. Im Kontext seiner Ausstellungsprojekte werden die Aufnahmen immer wieder sichtbar. Andererseits agiert der Sammler im Schatten des Kulturbetriebs. Schließlich, eine Ausstellung der Sammlung als Idee, als Konstrukt, auch als Ergebnis eines forschenden Kalküls hat es noch nie gegeben. So gesehen ist die in der Städtischen Galerie Iserlohn gezeigte Schau eine Premiere und dahingehend ein Ereignis, als die von Galerieleiter Rainer Danne und Hans-Michael Koetzle gemeinsam getroffene Bildauswahl neben Ikonen der Fotografiegeschichte bewusst weniger Bekanntes präsentiert bzw. auf Bildfindungen setzt, die – einem Gebot des legendären Art Directors Alexey Brodivitch folgend – durch ihre visuelle Komplexität, ihr ästhetisches Potenzial, ihre wahlweise leise oder laute Geste überraschen, überzeugen, staunen machen: „Astonish me!“
Zu sehen sind auf zwei Etagen rund 130 Arbeiten internationaler Fotografinnen und Fotografen. Gegliedert ist die Ausstellung in drei Kapitel, in denen sich nicht zuletzt drei große, von Koetzle kuratierte Ausstellungen spiegeln. Zunächst das Thema Paris mit Fotografien von Louis Stettner, Jarret Schecter, Sabine Weiss oder wenig bekannten frühen Aufnahmen des Schweizers René Burri. Das Thema Leica-Fotografie und Leica-Fotografen mit Namen wie Gianni Berengo Gardin, Ara Güler, Bruce Davidson, Thomas Hoepker oder Victor Kolář bildet einen weiteren Schwerpunkt. Und schließlich Deutschland und die Deutschen, angeregt durch die intensive Auseinandersetzung des 2014 verstorbenen Magnum-Fotografen René Burri mit dem –wie es in der Schweiz ironisch heißt – „Großen Kanton“. Fotografien von Stefan Moses, Robert Lebeck, Barbara Klemm, Walter Vogel, Horst H. Baumann, Ulrich Mack, Michael Friedel oder Rudi Meisel flankieren René Burris zwischen kritischer Distanz und emotionaler Nähe oszillierenden Blick. Was alle Motive verbindet: Sie waren und sind Teil einer sich über rund vier Jahrzehnte ziehenden Auseinander-setzung mit der Fotografie, Teil eines „ongoing projects“, eines unentwegten kuratorischen und publizistischen Prozesses, vor allem Teil eines Sammlerinteresses, das weniger das Bekannte als vielmehr die visuelle Überraschung sucht.
Foto oben: Michael Friedel, Der österreichische Schriftsteller Peter Handke auf einem Beatles-Konzert, Essen 1966













