Das Museum Folkwang in Essen widmet der wegweisenden Fotografin und Autorin Germaine Krull (1897–1985) eine umfassende Retrospektive mit dem Titel Chien Fou, die vom 28. November 2025 bis 15. März 2026 zu sehen ist.
Mit der Ausstellung ehrt das Museum erstmals Krull nicht ausschließlich als Vertreterin der fotografischen Avantgarde der 1920er- und 1930er-Jahre, sondern auch als vielstimmige Schriftstellerin, Chronistin und politisch engagierte Beobachterin ihres bewegten Jahrhunderts.
- Germaine Krull, 1922
- Germaine Krull in ihrer Ausstellung, Rio de Janeiro, 1941 (Autorin unbekannt, © Nachlass Germaine Krull, Museum Folkwang)
- Germaine Krull, An Bord der Capitaine Paul Lemere, 1941 (© Nachlass Germaine Krull)
Der Nachlass Krulls, den das Museum Folkwang bereits seit 1995 verwahrt, umfasst weit mehr als Abzüge und Negative: Neben Fotobänden finden sich (auto-)biografische und (auto-)fiktionale Texte, Reportagen, politische Berichte, Briefe und Maquetten – Zeugnisse ihrer teils turbulenten Biografie und ihres intellektuellen Engagements.
Die Ausstellung bringt erstmals diese schriftstellerische Dimension ins Zentrum und lädt Besucher:innen ein, Krull als ganzheitliche Künstlerin zu entdecken: nicht nur als Bildmacherin, sondern als Stimme eines Jahrhunderts
Mit etwa 400 Fotografien, Textdokumenten, Publikationen und audiovisuellen Materialien bietet „Chien Fou“ einen breit angelegten Überblick über Krulls Werk. Der Rundgang spannt sich von frühen Porträts und Aktstudien über Reportage- und Dokumentarfotografie bis hin zu Arbeiten aus Krulls Exilzeit in Südamerika, Afrika, Indien und Südostasien.
Zudem wird erstmals das sogenannte „späte Werk“ sichtbar: Fotografien und Texte, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und bisher kaum Beachtung fanden – von Architektur- und Reisebildern bis hin zu spirituellen und gesellschaftlichen Dokumentationen
- Germaine Krull am Schreibtisch im Oriental Hotel, Bangkok, 1950er (Autorin unbekannt, © Nachlass Germaine Krull, Museum Folkwang)
- Germaine Krull, Kran im Hafen von Rotterdam, 1922 (© Nachlass Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen)
- Germaine Krull: Jean Cocteau 1929
Krulls Leben war geprägt von politischen Umbrüchen, Exil und transnationalen Aufenthalten. Die Ausstellung zeigt, wie diese Erfahrungen ihre Fotografie und ihre Texte beeinflussten: ob in Reportagen aus dem kolonialen Afrika, Aufnahmen während ihres Engagements für die Résistance oder Reisen durch Südostasien und Indien. Damit sensibilisiert „Chien Fou“ für die kulturelle und politische Komplexität ihres Lebens und Werks.
Krull war nie nur „Fotografin“ – sie verstand sich auch als politisch Handelnde, als Chronistin ihrer Zeit und als kreative Intellektuelle, die Kunst, Aktivismus und Reflexion miteinander verband.
Das Ausstellungsdesign verteilt sich auf elf Räume und nutzt Textpassagen Krulls, kurze Kuratoren-Kommentare und Zitate als Leitfaden – der Besucher durch das Leben und Werk führt.
Ergänzt wird die Schau durch eine Ausstellungsbibliothek und eine Vermittlungsstation, die in Zusammenarbeit mit Studierenden der Universität Duisburg-Essen entwickelt wurde. So lädt die Ausstellung nicht nur zum Anschauen, sondern auch zum Lesen, Forschen und Diskutieren ein.
Parallel erscheint bei MACK Books eine umfangreiche Publikation „Germaine Krull: Chien Fou – Selected Texts“, mit Texten in Deutsch, Englisch und Französisch. Sie verbindet Fotografien mit bislang wenig bekannten Texten Krulls und öffnet neue Zugänge zu ihrem Werk.
Zeitgleich wird eine Open-Access-Datenbank freigeschaltet (DOI: 10.17185/estate-germaine-krull), die zahlreiche digitalisierte Quellen aus Krulls Nachlass dauerhaft zugänglich macht – eine seltene Chance, Fotografiegeschichte transparent und verfügbar zu dokumentieren.
Foto oben: Germaine Krull mit der Contax, um 1932 (Autorin unbekannt)
















