2018 trat die DSGVO in Kraft und sorgte für viel Aufregen und Unsicherheit auch unter Fotografen. Sieben Jahre später fragen wir nun, ob der Brei tatsächlich so heiß gegessen wird, wie er gekocht wurde.
Das wollten wir wissen:
- Wie hat sich Ihre fotografische oder sonstige Arbeit seit Inkrafttreten der DSGVO verändert – insbesondere im Umgang mit Personenaufnahmen im öffentlichen Raum?
2. Gab es seit 2018 konkrete Situationen, in denen Sie aus rechtlicher Unsicherheit auf eine Veröffentlichung oder gar auf eine Aufnahme verzichtet haben? Wenn ja: Was war ausschlaggebend?
3. Wie gehen Sie heute mit Einwilligungen, Model Releases oder Datenschutzhinweisen um – insbesondere bei spontanen Aufnahmen, Reportagen oder Events?
4. Reagieren Menschen, ob Sie sie fotografieren oder nicht, seit 2018 anders auf Sie als Fotograf?5. Welche Aspekte der DSGVO empfinden Sie im kreativen Umfeld als sinnvoll – und wo wünschen Sie sich mehr Klarheit, Flexibilität oder Reformbedarf?
Foto: Mareen Fischinger
Robert Kneschke, Fotoproduzent und Autor, alltageinesfotoproduzenten.de
1.
Als Stockfotograf arbeite ich ausschließlich mit Model Releases und darauf sowieso darauf, keine Personen ohne Release zu fotografieren, daher hat sich da nicht viel geändert. Sollte im Hintergrund doch mal eine Person durchs Bild laufen, wird die wie früher auch wegretuschiert.
2.
Ich betreibe seit 17 Jahren den Blog „Alltag eines Fotoproduzenten“, in dem ich über die Stockfotografie-Branche berichte. 2022 schrieb ich einige Artikel über einen Fotografen, welcher aggressiv Bildnutzer wegen angeblich entfernter Metadaten in seinen Fotos anschrieb und Geldforderungen stellte.
Mir leitete eine betroffene Person eine Email des Fotografen weiter, aus welcher ich im Rahmen meiner journalistischen Arbeit zitiert habe. Der Fotograf versuchte, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, aber das LG Berlin gab dem größtenteils nicht statt. Um nun die Person identifizieren zu können, welche mir die Email zuspielte, schickte dieser Fotograf mir eine DSVGO-Auskunftsanfrage, um damit den rechtlich verankerten Quellenschutz von Journalisten auszuhebeln. Das Landgericht Düsseldorf startete dann auf Antrag des Fotograf sogar ein Zwangsmittelverfahren, um mich zur Auskunft zu zwingen und schrieb dazu: „Die Vorlage der überwiegend geschwärzten E-Mail (Anlage G10) stellt ebenfalls keine vollständige Auskunftserteilung dar. Insbesondere beinhaltet die geschuldete vollständige Datenauskunft i.S.v. Art. 15 Abs. 1, 3 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DSGVO auch die Auskunft über die Herkunft der Daten. Der Schuldner darf die Auskunft nicht mit der Begründung verweigern, für ihn gelte das sogenannte ‚Medienprivileg’.“ Das Verfahren läuft aktuell noch.
3.
Events oder spontane Aufnahmen mache ich in der Regel nicht, weil sich dabei das Einholen von Einwilligungen und Model Releases nur schwer mit vertretbarem Aufwand umsetzen lässt. Mein Schwerpunkt liegt auf inszenierten, geplanten Produktionen, bei denen ich von Anfang an sicherstellen kann, dass rechtlich alles sauber dokumentiert ist, sei es durch Model und Property Releases oder klare vertragliche Regelungen. So habe ich die größtmögliche Kontrolle über die Nutzung der Bilder und vermeide mögliche Konflikte mit der DSGVO. Spontan- oder Reportageaufnahmen überlasse ich daher bewusst Kolleg:innen, die in diesem Bereich spezialisiert sind.
4.
Im Alltag hat sich bei mir nichts verändert. Menschen reagieren seit 2018 nicht anders auf mich als Fotograf. Einzige Ausnahme ist der erwähnte Sonderfall, in dem die DSGVO von einem Kollegen eher als juristisches Druckmittel eingesetzt wird.
5.
Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, dass die DSGVO Transparenz schafft und Menschen mehr Kontrolle über ihre Daten gibt. Gerade im kreativen Umfeld ist es wichtig, dass Models oder Auftraggeber wissen, wie und wo ihre Daten oder Bilder genutzt werden. Problematisch ist jedoch die unklare Abgrenzung zwischen journalistischer Arbeit, künstlerischer Fotografie und kommerzieller Nutzung, hier entsteht oft Rechtsunsicherheit.

Foto: Serge Duursma
David Klammer, Fotograf, davidklammer.de
1.
Bei mir hat sich im Prinzip wenig verändert. In der Regel habe ich ja auch zumindest ein mündliches Einverständnis, wenn ich z.B. für den Spiegel Portraits im öffentlichen Raum mache. Hier in Köln sind die Menschen ohnehin an Medien gewöhnt und „mediterraner“ in ihrer Lebenseinstellung, was es leichter macht als in anderen Region Deutschlands, die ich als deutlich verkniffener und paragrafenreiterischer empfunden habe. Vieles hat ja aber auch damit zu tun, wie ich auf Menschen zugehe. Ich frage oft Umstehende, ob es für sie in Ordnung sei, wenn ich fotografiere. Wenn es in einem Lokal oder Café ist, selbstverständlich auch die Besitzer oder das Personal. Das war auch vor 2018 so und da gebietet der Anstand. Fotografie sollte ja auch in der Kommunikation sein, die in beide Richtungen funktioniert.
2.
Tatsächlich hatte ich eine Situation während eines Polizeieinsatzes in einer Waldbesetzung. Da gab es eine lautstarke Diskussion eines Besetzers auf einem Baumhaus und eines unten stehenden Polizisten. Ein Kollege von ihm trat auf mich zu und drohte mir mit Strafanzeige, sofern ich das „private Gespräch“ weiterhin aufzeichnen würde. Da um Umkreis von 20 Metern jeder diesem Gespräch zuhören konnte, war es mitnichten privat und somit öffentlich. Tatsächlich wollte ich in dieser aufgeheizten Situation den Beamten nicht belehren und verzichtete auf weitere Aufnahmen.
3.
Tatsächlich fotografiere ich meist auf Events, die mit der Eintrittskarte eine Einwilligungserklärung für Bild- und Tonaufnahmen beinhalten. Oder auf Demonstrationen, was bedeutet, dass ich vor Ort nicht mehr fragen muss. Bei Veranstaltungen, Demonstrationen, Konzerten usw. ist die Veröffentlichung oft auch ohne individuelle Einwilligung zulässig (nach § 23 KUG). Allerdings gilt dies meines Wissens nach nicht für Minderjährige. Da ist nach wie vor die schriftliche Einwilligung beider Erziehungsberechtigter vonnöten.
Nach 30 Jahren ohne Probleme hatte ich nun aber ganz aktuell auf der letzten Messe Gamescom in Köln Probleme. Cosplayer standen bereitwillig Modell in ihren Kostümen für Porträts. Als dann meine Agentur Laif Fotos hochlud, begann ein kleiner Shitstorm. Es wurde gemutmaßt, ich würde mich an den Bildern bereichern. Und da fiel auch immer wieder das Stichwort DSGVO (meist von ChatGPT in drastischen Sätzen formuliert). Die Community hat sich abgesprochen und Laif mit Mails geflutet. Vermutlich gab es Missverständnisse beim Shooting, die ich im Vorfeld hätte klären können, wenn ich die Szene besser gekannt hätte. In Zukunft werde ich bei ähnlichen öffentlichen Events Handzettel verteilen, auf denen steht, was ich für wen fotografiere und als Gegenleistung (oder „Bezahlung“) Bilddateien anbieten. Ein eher informelles Model-Release. Wenn Zustimmung erfolgt, mache ich Porträts. Ist aber leider auch keine Rechtssicherheit und Zustimmungen können widerrufen werden. Aber es schützt vor Abmahnungen.
Kompliziert wird es auch, wenn ich für ein Corporate Magazin fotografiere. Die möchten oft schriftliche Einwilligungen sämtlicher Abgebildeter. Vor ein paar Jahren fotografierte ich für ein deutsches Automagazin eine Oldtimer-Rallye in Mexiko. Die wollten tatsächlich auch Einwilligungen der abgebildeten Zuschauer am Straßenrand. Heute sitzen in vielen Firmen Controller am grünen Tisch, die nicht mehr wissen, wo die Balance zu halten ist.
4.
Gerade in Deutschland ist es schwieriger geworden, im öffentlichen Raum zu fotografieren, weil Menschen eine gewisse Skepsis entwickelt haben. Manchmal ist dieses Skepsis aber durch Halbwissen geprägt. Und Deepfakes durch KI machen die Situation erst recht nicht leichter. Menschen haben Angst vor Kontrollverlust. Das macht es heutzutage schwieriger, Fotos zu machen, die andere Inhalte als PR transportieren. Außerdem ist es in Deutschland und auch in Irland und England extrem heikel, wenn irgendwo, auch im Hintergrund, Kinder ins Bild geraten könnten. Da wird schnell Falsches vermutet. Franzosen und Menschen in Übersee reagieren da ganz anders. Überhaupt frage ich mich manchmal, warum Kameras hierzulande oft als Bedrohung angesehen werden und in anderen Kulturen eher als Wertschätzung und Bereicherung.
5.
Ich kenne Kollegen, die 2018 ihre Website abgeschaltet haben, aus Angst vor Abmahnungen. Tatsächlich habe ich selbst die notwendigen Zusätze, Infos etc. meinem Internet-Auftritt zugefügt. Somit sollte da alles rechtssicher sein. Ich glaube, dass gesunder Menschenverstand immer weiter hilft, aber natürlich auch Kenntnisse der Rechtslage.
Jetzt, wo ich mich seit Jahren das erste Mal wieder mit dieser Thematik beschäftige, bin ich geneigt, mal ChatGPT zu fragen, wie ich als Fotograf mit der DSGVO umgehen sollte. Obwohl: ChatGPT schreibt auch nicht immer die volle und ganze Wahrheit.

Foto: Petra Bockermann
Carsten Bockermann, Fotograf, cabophoto.com
1.
Nach Einführung der DSGVO habe ich die rechtliche Unsicherheit als enorme Einschränkung empfunden, insbesondere was den Bereich Street Photography angeht. Gerade dort ist es ja nicht möglich, vor einer Aufnahme Model Releases einzuholen. Das Thema DSGVO wurde unter Bildschaffenden ja zunächst heftig diskutiert, wobei oft die rechtliche Klarheit fehlte. Ein Kollege hat in der Folge sogar seine Website, die in erster Linie Fotos von Straßenszenen und Porträts zeigte, vom Netz genommen.
Mit der Zeit hat sich allerdings die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Thema in der Öffentlichkeit nicht dieselbe Beachtung findet wie unter Fotografen. Wobei der Begriff „Fotograf“, was Fotos in der Öffentlichkeit angeht, angesichts der allgegenwärtigen Smartphone-Aufnahmen kaum noch klar zu definieren ist. Ich erinnere mich an eine Situation in einer deutschen Großstadt, in der ich Menschen beim Urban Golf fotografierte. Ich hatte mit dem Trainer der Spielgruppe besprochen, dass ich dort fotografieren würde. Eine Teilnehmerin sprach mich dann aufgeregt an und wies mich auf die DSGVO hin, gemäß der ich sie angeblich nicht fotografieren dürfe. Interessanterweise waren ihr die Umstehenden, die mit ihren Smartphones Bilder machten, vollkommen egal. Das Kriterium war offenbar, dass ich eine dedizierte Kamera benutzte.
Zusammengefasst kann ich sagen, dass sich nach anfänglicher Aufregung die Lage wieder normalisiert hat. Gerade im öffentlichen Raum war auch vor der Einführung der DSGVO ein wenig Fingerspitzengefühl angebracht, um zu entscheiden, wen ich in welcher Situation abbilden sollte.
Als deutlich ausschlaggebender als die (ja Europa-weit gültige) DSGVO empfinde ich die Unterschiede zwischen Kulturräumen. So ist mir gerade in Deutschland häufiger Misstrauen oder Ablehnung begegnet als beispielsweise in südeuropäischen Ländern oder den USA, wo das Fotografieren oft positiv und als Interesse an der eigenen Person bzw. Tätigkeit empfunden wird.
2.
Es gab mehrfach die Situation, dass ein Unternehmen Fotos von Mitarbeiterveranstaltungen haben wollte, aber nicht in der Lage war, die rechtliche Situation zu klären. Für spätere Veröffentlichung im Rahmen der Unternehmenskommunikation wäre das Einverständnis der Abgebildeten notwendig gewesen, was ich alleine angesichts Hunderter Teilnehmer nicht hätte sicherstellen können. Daher habe ich diese Aufträge abgelehnt.
Im Grunde nicht anders als vor dem Inkrafttreten der DSGVO. Wenn ich eine kommerzielle Nutzung plane (in meinem Fall z.B. Plattencover), ist (und war) ein Model Release notwendig. Im Rahmen meiner dokumentarischen bzw. journalistischen Bilder ist das nicht erforderlich. Wenn ich im Auftrag eines Veranstalters Events fotografiere, stelle ich zuvor sicher, dass die Teilnehmer angemessen darauf hingewiesen wurden, dass dort fotografiert wird und diese Fotos veröffentlicht werden können.
4.
Nach einer kurzen Phase, in der das Thema DSGVO in den Medien diskutiert wurde und ich einige wenige Situationen erlebte, in denen ich darauf angesprochen wurde (siehe Antwort 1), ist nach meinem Empfinden die Aufregung abgeklungen. In den genannten Situationen konnte ich erklären, warum ich diese Bilder mache und zusätzlich durch Zeigen ähnlicher Bilder auf meinem Smartphone bzw. durch den Hinweis auf meine Website Vertrauen schaffen.
5.
Insbesondere in Sachen Street Photography gab es ja zunächst Unsicherheit darüber, ob diese überhaupt noch ausgeübt werden könne. Das hat sich zwar in der Zwischenzeit geklärt, aber es gibt noch immer Unklarheiten, über die Gerichte dann Einzelfallentscheidungen treffen müssen. Hier sollte noch nachgebessert werden.

Foto: Thomas Adorff
Thomas Bergbold, Fotograf, bergbold.de
1.
Ich bin vorsichtiger und versuche auf Personenaufnahmen zu verzichten oder sie nur von hinten zu fotografieren. Bei kreativen Aufnahmen verwende ich jetzt Techniken, die Personen unkenntlich machen. Ist eigentlich eine schöne Herausforderung.
2.
Dazu kommt es immer wieder wenn in der Schule Projekte und Veranstaltungen fotografiert werden sollen.
3.
Bei großen Events gibt es Schilder am Eingang oder Hinweise auf den Einladungen, das fotografiert und gefilmt wird. Ein Model Release wird nur bei Porträtaufnahmen ausgefüllt. Bei kleinen Veranstaltungen bitte ich die Personen den Raum zu verlassen, die nicht fotografiert werden wollen.
4.
Ja, aggressiver wenn sie das Gefühl haben, dass sie fotografiert wurden.
5.
Eigentlich ist es relativ klar. Es ist strickt und es gibt wenig Freiheiten. Die Kunstfreiheit für Presseaufnahmen kann nur noch schwer angewendet werden, auch weil die Fotografierten diskutieren möchten.

Foto: Sonja Schweicker
Marco Urban, Fotojournalist und Vorstandsvorsitzender Freelens e.V., freelens.com
1.
Anfänglich gab es eine große Unsicherheit, wie mit der Fotografie als Speichervorgang von persönlichen Daten, also Personen auf Bildern in Kontexten oder in Verbindung mit Metadaten wie Zeit und Ort der Aufnahme, umzugehen ist. Dass betraf auch Kunden für z.B. Eventfotografie. Es war davon auszugehen, dass Personen-Fotografie vollumfänglich unter die DSGVO fällt, einschließlich Fotojournalismus und künstlerische Fotografie. Ein Unterschied zu den bisherigen Regelungen durch das Persönlichkeitsrecht war (und ist), dass die DSGVO wirkt, sobald das Foto aufgenommen (gespeichert) wird, während Persönlichkeitsrechte erst ihre Wirkung entfalten, wenn das Foto veröffentlicht wird. Spontane Streetfotografie schien unmöglich zu werden, da man von den Protagonisten vorher ein schriftliches Einverständnis hätte einholen müssen.
Mittlerweile gibt es mehrere Gerichtsentscheidungen, die klarstellen, dass das KunstUrhG (Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie), das seit 1907 das Recht am eigenen Bild regelt, in bestimmten Fällen Vorrang vor der DSGVO hat. So stellte der BGH in seinem Urteil vom 7. Juli 2020 (Az.: VI ZR 246/19) fest, dass das KUG im journalistischen Bereich weiterhin Anwendung findet. In §22 KUG wird festgehalten, dass eine Einwilligung der abgebildeten Personen nötig ist, wenn die Fotografien verbreitet oder zur Schau gestellt werden sollen. In §23 werden aber Ausnahmen definiert:
– Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
– Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
– Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
– Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
Es gibt zwar bereits einige weitere Urteile, die darauf hindeuten, dass das KUG nicht nur im journalistischen Bereich weiterhin anwendbar ist. Aber solange es dazu sehr unterschiedliche Auskünfte von den Datenschutzbeauftragten der Bundesländer gibt, bleibt die Lage für uns Fotograf:innen sehr heikel. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre daher dringend geboten.
Außerhalb des KUG gilt allerdings weiterhin vorrangig die DSGVO, wenn Personen fotografiert werden. Es bleibt problematisch, dass diese Daten genauso behandelt werden, wie persönlichste Daten z.B. aus dem medizinischen Bereich. Vielfach behelfen sich Veranstalter von nicht-öffentlichen Veranstaltungen mit Aushängen, in denen mehr oder weniger ausführlich darauf hingewiesen wird, dass Foto- oder Filmaufnahmen erstellt werden. Die Wirksamkeit kann bei unsorgfältiger Handhabung aber zweifelhaft sein.
2.
Jede Kollegin und jeder Kollege wird Situationen kennen, in denen man eine DSGVO-Schere im Kopf hat und den Auslöser gar nicht erst durchdrückt. Der Grund dafür ist vor allem die oben beschriebene Rechtsunsicherheit. Auch hier zeigt sich, dass es dringend geboten ist, die richterlichen Entscheidungen auch in Gesetzesform zu bringen, so dass alle Beteiligten ihrer Sache sicher sein können.
Ein Kunde von mir veranstaltet regelmäßig Tage der offenen Tür, bei denen auch Kinder betreut werden. Früher hätte man kurz mit den Eltern gesprochen und ein paar Bilder gemacht. Heute bin ich vorsichtiger, das schriftliche Einverständnis aller Erziehungsberechtigten ist notwendig. Das lässt sich vor Ort oft nicht umsetzen und schon gar nicht überprüfen. Ich bin dazu übergegangen, Situationen, die in Bezug auf die DSGVO unklar sind, so zu fotografieren, dass niemand zu erkennen ist.
Grundsätzlich sollte der Kunde das Risiko für die Einhaltung von Rechten (egal ob DSGVO oder Persönlichkeitsrechte), übernehmen, da er ja selbst auch die Daten speichert und über die Art und Weise der Veröffentlichung entscheidet.
4.
Ich habe den Eindruck, dass Menschen in Deutschland „fremden“ Fotograf*innen gegenüber grundsätzlich kritischer sind. Das hat nicht unbedingt mit der DSGVO zu tun, sondern mit grundsätzlicher Skepsis gegenüber Medien oder einem höheren Missbrauchspotential dank Sozialer Medien. Die DSGVO wird in der Regel nicht mit Fotografie in Verbindung gebracht.
5.
Das KUG ist eine völlig ausreichende Regelung zum Schutz der Persönlichkeitsrechte fotografierter Personen. Es macht nicht ohne Grund den Weg frei für journalistische Berichterstattung und künstlerische Fotografie.
Wie oben beschrieben sollte der Gesetzgeber hier aber Klarheit schaffen und festschreiben, dass das KUG in allen Aspekten der DSGVO vorgeht. Ebenfalls große Unsicherheiten schafft die Frage, ob Fotograf*innen Auftragsdatenverarbeitung betreiben. Auch hier kann davon ausgegangen werden, dass das nicht der Fall ist. Kunden gegenüber ist das aber oft schwer zu vermitteln, weil es auch hier keine klare Gesetzgebung gibt. Als Auftragsdatenverarbeiter geht der Dienstleister eine Unzahl Verpflichtungen ein.

Jürgen Scriba, Fotograf und Leiter der AG Technischer Fortschritt im Deutschen Fotorat, jscriba.com
1.
Im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen klingt immer wieder durch, die DSGVO habe die Street Photography regelrecht gekillt. Es herrscht eine enorme Unsicherheit darüber, was denn nun eigentlich die konkreten rechtlichen Randbedingungen sind, unter denen man im öffentlichen Raum heute arbeitet.
Bei den Persönlichkeitsrechten gab es ja zumindest eine halbwegs nachvollziehbare Abgrenzung zwischen beispielsweise Abbildungen von Personen als Teil eines Ereignisses, wie einer Kundgebung, und individueller Abbildungen, die möglicherweise die Privatsphäre verletzt. Wird jedoch das pure Benutzen einer Kamera als Akt der Datenverarbeitung eingestuft und die daraus folgenden gesetzlichen Pflichten ernsthaft auf die Tätigkeit von Fotografinnen und Fotografen angewendet, ist es fast unmöglich, legal eine Kamera in die Hand zu nehmen. Welcher Fotografierende hat ein vollständiges Verzeichnis „datenverarbeitender Tätigkeiten“ für seinen Betrieb angefertigt und kann Einverständniserklärungen aller abgebildeten Personen vorweisen? Wer wäre in der Lage, beim Eingang eines Widerspruchs einer dieser Personen Jahre später nach einem präzise dokumentierten Prozess die vollständige Löschung aller Bilder mit dieser Person sicherzustellen?
Es gibt Künstler, die in Aufnahmen von Straßenszenen die Nummernschilder von Autos bei der Nachbearbeitung der Bilder verändern, weil sie befürchten, es könne sich hier um „personenbezogene Daten“ handeln, die sie illegal erhoben haben. Ob das nun tatsächlich in der DSGVO steht oder nicht: Diese Art von vorauseilender Selbstzensur finde ich eklig.
2.
Ich habe früher in meiner „Situ Art“-Serie großformatige Montagen von Menschen in öffentlichen Räumen gebaut und dabei zum Beispiel einen Tag in der Abflughalle eines Flughafens fotografiert. Ich war mir sehr sicher, dass diese Massen-Porträts auch ohne individuelle Einwilligung durch die Kunstfreiheit gedeckt sind. Würde ich das heute machen, wäre das vermutlich ein Lotteriespiel, wie ein Gericht bei einer Klage nach DSGVO-Ansatz entscheiden würde. Allein der Gedanke daran lässt mir die Lust auf solche Projekte vergehen.
3.
Bei Events versucht man sich damit zu behelfen, an Eingängen pseudo-juristische Hinweise aufzuhängen, nach denen man sich mit dem Betreten irgendwelcher Räume damit einverstanden erklärt, möglicherweise auf Fotos erfasst zu werden. Ob das im Zweifelsfall rechtlich haltbar ist, weiß keiner. Und wem nützt es tatsächlich? Ist irgendwer überrascht durch den Hinweis, es könne fotografiert werden, und geht deshalb nicht zur Veranstaltung? Alle mogeln sich irgendwie durch und hoffen, dass es so juristisch korrekt ist. „Cover my ass“ heißt die Devise, irgendwelche tatsächlichen Probleme werden damit überhaupt nicht adressiert.
4.
Eigentlich nicht. Wer nicht fotografiert werden will, sagt das wie schon immer, ohne dabei „DSGVO“ zu rufen.
5.
Ich höre häufig von Kolleginnen und Kollegen, die im Corporate-Bereich tätig sind, dass sie aus den Rechtsabteilungen von Firmen, für die sie tätig sind, plötzlich vielseitige Verträge vorgesetzt bekommen, in denen sie Klauseln zur „Auftragsdatenverarbeitung“ unterschreiben sollen. Da stehen zum Teil absurde Forderungen drin, zum Beispiel, dass der Fotograf die Bilder nur auf Computern bearbeiten darf, auf denen keine Daten von anderen Kunden gespeichert sind. Oder es wird die komplette Löschung aller Bilddaten verlangt nach einer bestimmten Frist – was keiner tun kann, ohne die Dokumentation seiner Urheberschaft zu verlieren.
Auch wenn es längst einschlägige juristische Argumente gibt, nach denen Fotografie eben keine Auftragsdatenverarbeitung ist, gehen Firmenjuristen gerne diesen Weg, weil es für sie so schön einfach ist, sich auf die DSGVO zu berufen. Die Fotografin muss den Blödsinn unterschreiben, wenn sie weiter Aufträge haben will, und hat keine Ahnung, welches Risiko sie sich einhandelt. Da heißt es oft „Ja, das steht da drin, aber so ist das natürlich nicht gemeint“. Aber wer weiß denn, ob nicht irgendwer in ein paar Jahren auf die Idee kommt, zum Beispiel die im Vertrag enthaltene Überprüfung der Regelungen an irgendeine Compliance-Agentur outzusourcen? Wenn dann plötzlich jemand – wie im Vertrag ausdrücklich vereinbart – zur unangekündigten Kontrolle des Arbeitsplatzes vor der Tür steht und natürlich irgendwelche Verstöße findet, wird es heißen „Da können wir jetzt leider gar nichts machen“. Alle sind fein raus, nur der Fotograf ist gekniffen.
Ich kenne keine Kolleginnen oder Kollegen, die in unserem Metier Vorteile in der DSGVO erkennen können.










