Adobe und Co. greifen zunehmend in kreative Prozesse ein – KI-Tools verweigern die Bearbeitung bestimmter Fotomotive. Eine gefährliche Entwicklung für Fotografen und die künstlerische Freiheit, meint ProfiFoto-Chefredakteur Thomas Gerwers.
Was lange befürchtet wurde, ist zur Realität geworden: Große Tech-Unternehmen nehmen aktiv Einfluss auf künstlerische Prozesse – nicht durch Gesetze, sondern durch firmeninterne Richtlinien. Während Meta mit seinen berüchtigten „Community Standards“ seit Jahren Inhalte auf Instagram und Facebook entfernt, erreicht diese Einschränkung nun ein neues, tieferes Level: direkt in den Werkzeugen, mit denen professionelle Fotografen arbeiten.
Adobe etwa hat begonnen, die KI-gestützten Funktionen in Photoshop Cloud zu begrenzen – insbesondere bei Motiven, die Nacktheit, Erotik oder gesellschaftlich kontroverse Themen zeigen. Auch wenn diese Inhalte in Europa völlig legal und durch die Kunstfreiheit geschützt sind, verweigert die Software die Bearbeitung, weil sie „Gegen unsere Richtlinien“ verstoßen, heißt es lapidar.
Für viele professionelle Fotografen ist das mehr als nur ein technisches Ärgernis – es ist ein Eingriff in ihre Arbeitsweise und Ausdrucksmittel. Denn gerade in der künstlerischen Fotografie ist die Auseinandersetzung mit Körper, Identität, Intimität oder Machtstrukturen essenziell. Wenn nun KI-Werkzeuge bestimmte Inhalte nicht bearbeiten oder aktiv blockieren, wird kreatives Arbeiten mit digitaler Technik zur Gratwanderung.
Was wie ein „technisches Problem“ wirkt, ist in Wahrheit ein Akt stiller Zensur. Eine global standardisierte Moral ersetzt differenzierte kulturelle Diskurse. Und ausgerechnet jene Programme, die Fotografen seit Jahrzehnten für ihre kreative Arbeit nutzen – allen voran Photoshop – entpuppen sich als Instrumente eines undurchsichtigen Regelwerks, das sich jeder demokratischen Kontrolle entzieht.
Kunst lebt von Ambivalenz. Sie braucht Grauzonen, Reibung, auch das Unbequeme. Wenn Algorithmen nicht nur definieren, was gezeigt oder veröffentlicht, sondern auch, was bearbeitet werden darf, wird die kreative Freiheit beschnitten – unsichtbar, automatisiert, ohne Widerspruchsmöglichkeit. Für die Fotografie bedeutet das: ein schleichender Verlust an Ausdrucksräumen.
Es ist an der Zeit, dass sich die Community der Kreativen und Bildschaffenden klar positioniert. Denn wer heute schweigt, riskiert, morgen nur noch in den von Konzernen definierten Grenzen gestalten zu dürfen. Die künstlerische Freiheit ist kein Feature – sie ist das Fundament. Und sie gehört nicht in die Hände von Software-Entwicklern, sondern in die unserer Gesellschaft.
Fotos (2): Thomas Gerwers (nicht generiert)










