Zum 25. Todestag von Walter E. Lautenbacher am 10. August erinnert sein Sohn Marc an den deutschen Modefotografen und Gründer des Bund Freischaffender Fotografen (BFF), heute Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter.

Foto: Walter E. Lautenbacher, Modell Ulla, 1953, das erste Modefoto des Fotografen
Walter Ernst Hans Werner Lautenbacher (geb. 23. Februar 1920) starb am 10. August 2000 in Leonberg an Herzversagen. Er gehörte in Deutschland zu den einflussreichsten Modefotografen des 20. Jahrhunderts und gründete am 13. Januar 1969 mit fünf seiner engsten Fotografenkollegen den Bund Freischaffender Fotografen, BFF. Lautenbacher gilt damit als Begründer des Berufsstandes der Fotodesigner in Deutschland, bis heute eine Studienrichtung der Fakultät für Design an der Hochschule München.
Frühe Jahre
Walter E. Lautenbacher entstammte einer außerehelichen Liebesbeziehung zwischen Professor Georg Heinrich Emmerich und Marie Berta Stanze. Emmerich war der Gründer der im Jahr 1900 eröffneten „Bayerischen Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie“ und starb 1923 an einer ungenügend behandelten, bakteriellen Infektion. Als erster ordentlicher Professor für Fotografie hatte er diese Position von 1900 bis 1917 inne. Zu dieser Zeit wurde die Fotografie in ganz Europa eher als „eine Handwerkskunst, mit Licht ein Bild zu erzeugen“ betrachtet. Jahrzehnte später wurde die zwischenzeitlich in „Staatliche Hochschule für Fotografie in Bayern“ umbenannte Institution im Jahr 2005 dem Fachbereich Angewandte Wissenschaften der Universität München angegliedert.
Damit war Walter E. Lautenbacher die Fotografie zwar in die Wiege gelegt, doch absolvierte er als 14-jähriger zunächst eine Ausbildung als Textilkaufmann. Da Lautenbacher sich nicht gut mit dem neuen Mann seiner Mutter verstand, verließ er nur ein Jahr später sein Elternhaus und meldete sich schliesslich 1938, mit 18 Jahren, zur Armee
. Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Lautenbacher an der Front durch einen Schuss an der Hüfte verwundet, die Zeit seines Lebens steif blieb. Bis zum Ende des Krieges war der gelernte Textilkaufmann für eine militärische Einrichtung zuständig, die Bekleidung und Uniformen für die deutsche Armee zur Verfügung stellte, bevor er in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. Schon im Juni 1945 entlassen, arbeitete Lautenbacher als Landarbeiter, als er zufällig in einer Tageszeitung las, dass die von seinem leiblichen Vater gegründete Fotoschule wieder eröffnet worden war. Dort begann der damals schon zweifache Vater ab 1947 sein Studium, dass er 1949 mit Auszeichnung abschloss.
Karriere als Fotograf
Seine erste Anstellung fand Lautenbacher in einem Fotostudio in Fellbach bei Stuttgart, wo er nach seinen eigenen Erzählungen so ziemlich alles fotografierte, was die Kunden verlangten: Vom Kühlschrank bis zur Babykleidung, vom Staubsauger bis zum Büstenhalter.

Foto: Walter E. Lautenbacher, „Marken-Mode am Hafen mit Statisten“, 1955
Die Besitzer einer Werbeagentur halfen ihm schließlich 1954, sich selbstständig zu machen. Lautenbacher eröffnete sein erstes Fotostudio in Stuttgart und entwickelte sich in den darauffolgenden Jahren zu einem der führenden Modefotografen seiner Zeit. Ab 1959 arbeitete er für führende Modemagazine sowie für große Textil-Markenartikler.
Mannequins und Assistenten
Seit 1954 waren mehr als 25 Fotoassistenten für Lautenbacher tätig, von denen die meisten später Profifotografen wurden. Lautenbacher förderte außerdem diverse Fotomodelle, darunter Rita Jaeger, die später eine Modellagentur gründete, sowie die „Topmodels“ der 60er und 70er Jahre aus Deutschland, darunter Juliane Biallas (Lautenbachers spätere Ehefrau), Beate Schulz (spätere Ehefrau des Modefotografen James Moore in New York), Margie Schmitz (spätere Ehefrau des Schauspielers Curt Jürgens), Mirja Larsson (spätere Ehefrau des Unternehmers Gunther Sachs) sowie Astrid Schiller (spätere Ehefrau des Hoteliers Robert E. Wirth, Hassler Rom) und viele andere mehr.

Foto: Walter E. Lautenbacher, Pelzmode-Model Carina Conrad, 1967
In der noch jungen Fotoszene der Bundesrepublik Deutschland war es üblich, dass man Tricks und Kniffe geheim hielt. Lautenbacher hingegen bekannte sich schon in den 1960er Jahren zum freimütigen und sich einander befruchtenden Erfahrungsaustausch mit Kollegen. Bereits in den 1950er Jahren war er der Erste, der seinen Kollegen sein neues Studio in Stuttgart zeigte, in dem er die damals üblichen Scheinwerfer durch Neonröhren ersetzt hatte. Als einer der ersten Fotografen verwendete er farbige Papierhintergründe und informierte sich regelmäßig in New York über Blitzgeräte – der damals neueste Fortschritt für die Studiofotografie – und teilte beständig die Begeisterung über sein Wissen mit anderen Kollegen. 1963 stellte Lautenbacher auf der photokina in Köln erstmals seine „Fettscheibe“ vor, die dem Foto einen Unschärfe–Effekt verlieh und seinen damals einzigartigen Stil der Mode– und Werbefotografie kennzeichnete.
Fotografie als Kunst
Im Jahre 1967 veranstaltete Lautenbacher mit seinen Berufskollegen Franz Lazi und Ludwig Windstosser die Ausstellung „Commercial Photography“ in Stuttgart. Das Besondere: Erstmals wurde kommerzielle Werbe– und Modefotografie dort als Kunst präsentiert, was bis dato nur Fotografie vorbehalten war, die „um ihrer selbst willen“ ohne Auftrag entstanden war.
Inspiriert durch den Erfolg und das große Echo auf die Ausstellung beschloss Lautenbacher, beim Finanzgericht zu erstreiten, dass auch kommerzielle Fotografen als Künstler anerkannt werden können. In zweiter Instanz gab der Bundesfinanzhof ihm Recht, was die steuergesetzliche Folge hatte, dass nicht mehr alle Berufsfotografen zwingend in der Handwerksrolle eingetragen sein mussten und damit nicht mehr automatisch der Gewerbesteuer unterlagen, sofern ihre Arbeit nachweislich ein bestimmtes künstlerisches Niveau auszeichnete.

Walter E. Lautenbacher, Modell Ina Balke, 1961
Angetrieben durch diesen für die Berufsgruppe der kommerziellen Fotografen brisanten Erfolg, beschloss Lautenbacher einen Berufsverband für professionelle Fotografen zu gründen, der deren Interessen vertreten sollte. Außerdem bedurfte es einer Institution, die beurteilen konnte, welche Arbeit den künstlerischen Ansprüchen genügte, um tatsächlich den Status des Künstlers – und damit Freiberuflers – zu untermauern.
Am 18. Januar 1969, um 17.30 Uhr, kam es nach neun Jahren der Vorbereitung in Lautenbachers privater Wohnung in der Marienstrasse in Stuttgart zusammen mit Franz Lazi und Ludwig Windstosser sowie Robert Häusser, Willi Moegle und Dr. Wolf Strache zur Gründung des Bundes Freischaffender Fotografen, abgekürzt BFF. Um den künstlerischen Anspruch des neuen Berufsstands noch stärker zu untermauern, popularisierte Lautenbacher wenig später dafür den Begriff Fotodesigner. Diese Bezeichnung fand schnell Akzeptanz in der öffentlichen Wahrnehmung, sodass der BFF in Bund Freischaffender Foto-Designer umbenannt wurde.
Heute ist Fotodesign als offizielle Berufsbezeichnung nur noch wenig gebräuchlich, doch der BFF ist nach wie vor eine anerkannte Standesorganisation kommerzieller Fotografen mit künstlerischem Anspruch auf höchstem Niveau. Der Beitritt erfordert das positive Urteil einer Jury, um den elitären Anspruch des Verbands zu sichern und den Mitgliedern als Nachweis des erforderlichen „künstlerischen Anspruchs“ zu dienen.
Volle 16 Jahre – von 1969 bis Anfang 1985 – war Lautenbacher Vorstandssprecher des BFF, bevor er sich im Alter von 65 Jahren entschloss, nicht mehr für das Amt zu kandidieren. Noch im selben Jahr wurde er zum Ehrenvorsitzenden ernannt, ein Titel, der bis heute außer ihm nur Franz Christian Gundlach zuerkannt wurde.
Mehr als Ablichten
Mit Anfang 60 entschloss sich Lautenbacher, seine profunden, praxiserprobten Kenntnisse an junge Kollegen weiterzugeben, was schließlich 1981 zur Gründung seiner eigenen Fotoschule führte, die er bis 1992 als Seminar für Modefotografie (SFM) in seinem Studiohaus leitete.
Das von dem renommierten Architekten Harry G. H. Lie errichtete Gebäude mit 15 Zimmern umfasste neben einem Fotolabor ein Studio mit einer Fläche von 100 Quadratmetern und offenem Kamin.
Das Fotoarchiv von Walter E. Lautenbacher enthält über 7.000 Werke, von denen die meisten Schwarzweißfotos sind. Einige dieser Arbeiten werden als Vintage-Prints im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund sowie in den privaten Fotosammlungen von Norbert Waning und Dr. Michael Schupmann bewahrt.
Alle Fotos: Archiv Marc Lautenbacher










