Topaz PhotoAI nutzt Deep-Learning-Algorithmen, um Unschärfen zu korrigieren, Rauschen zu entfernen und Bilder hochzuskalieren. ProfiFoto hat mit Version 3.5 die Grenzen automatisierter Bildoptimierung ausgelotet.
Während Vorgängerversionen von PhotoAI bereits mit umfassenden KI-Funktionen für Schärfen, Rauschreduzierung und Hochskalierung punkten konnten, bietet Version 3.5 eine noch präzisere Objekterkennung, schnellere Verarbeitungszeiten und verfeinerte Algorithmen.
Alles-in-einem
Aktuell bietet Topaz Labs PhotoAI zum Einmalkaufpreis von 199 US-Dollar (zzgl. eventueller Steuern) an. Im Preis enthalten ist ein Jahr kostenfreier Updates. Danach können Anwender eine optionale Upgrade-Lizenz erwerben, um weiterhin Zugang zu neuen Versionen und Funktionen zu erhalten (derzeit 99 US-Dollar pro Jahr). Version 3.5 ist sowohl für Windows (10 oder höher) als auch macOS (Catalina oder neuer) verfügbar und verfolgt einen „Alles-in-einem“-Ansatz, denn sie vereint die bisher getrennten Module DeNoise AI, Sharpen AI, Gigapixel AI in einer einzigen Oberfläche.
- Vorher
- Nachher
Die Benutzeroberfläche präsentiert sich dennoch aufgeräumt. In der linken Seitenleiste finden sich grundlegende Tools für Bildrotation, Beschnitt und Vorschau-Einstellungen. Im rechten Bedienbereich sind die verschiedenen KI-Module übersichtlich in Tabs oder zusammengefassten Sektionen zu finden, etwa „Autopilot“, „Remove Noise“, „Sharpen“, „Upscale“ und „Face Recovery“. Ein zentrales Fenster mit geteiltem Vorher-Nachher-Bereich oder wahlweise einer Vergleichsansicht zeigt in Echtzeit, welche Auswirkungen die gewählten Einstellungen auf das Bild haben. Die Echtzeit-Vorschau reagiert spürbar zügiger als in Vorgängerversionen.
PhotoAI 3.5 lässt sich nicht nur als Standalone-Anwendung nutzen, sondern auch in etablierte Bildbearbeitungsprogramme wie Adobe Lightroom oder Photoshop integrieren. Die Lightroom-Integration ist besonders praktisch: Ein Rechtsklick auf ein Bild und die Option „Bearbeiten in Topaz PhotoAI“ öffnet direkt das entsprechende Modul. Nach der Optimierung landet das Bild als neuer Stack wieder in Lightroom. Photoshop-Nutzer können PhotoAI als Filter aufrufen, sodass sich der Workflow nahtlos einbettet.
Deep-Learning
Topaz PhotoAI basiert auf Deep-Learning-Algorithmen, die im Kern neuronale Netze nutzen, um Bilder automatisiert zu analysieren und zu optimieren. Im Gegensatz zu klassischen Schärfungs- oder Rauschreduzierungsmethoden (z. B. Unsharp Masking oder einfache Filter) greift das Programm auf große KI-Modelle zurück, die anhand riesiger Datensätze trainiert wurden. Dabei verarbeitet Topaz PhotoAI alle Bilddaten lokal auf dem jeweiligen Rechner, schickt also keine Daten in die Cloud.
Die tiefen neuronalen Netze benötigen allerdings viel Rechenleistung und können auf weniger leistungsstarker Hardware sehr lange Laufzeiten verursachen. Daher ist eine aktuelle GPU für flüssiges Arbeiten fast unerlässlich.

Lens Blurr
Um Schärfe wiederherzustellen, nutzt Topaz Labs sogenannte Paardatensätze: Ein unscharfes (oder verrauschtes) Bild und eine dazugehörige scharfe Referenzaufnahme. Die KI lernt, wie sie aus der unscharfen Vorlage fehlende Details „zurückgewinnen“ kann, indem sie typische Strukturen, Konturen und Texturen erkennt und rekonstruiert.
Die verwendeten Modelle sind in der Regel Convolutional Neural Networks (CNNs) oder neuere Architekturen, die speziell für Bildverarbeitung ausgelegt sind und über mehrere Schichten (Layer) verfügen, die jeweils bestimmte Merkmale im Bild extrahieren, wie Kanten, Texturen oder Farbverläufe.
Zur Ausführung greift PhotoAI intensiv auf die GPU (Grafikkarte) zurück, da neuronale Netze viele parallele Berechnungen durchführen. Im Hintergrund werden Millionen von Matrixmultiplikationen ausgeführt, um Pixel für Pixel die bestmögliche Schärfe zu ermitteln.
Zunächst erkennt das Programm, um welche Art von Unschärfe es sich handelt: Bewegungsunschärfe (Motion Blur), Fokusfehler oder eine Kombination aus beiden. Durch Objekterkennung und Kantendetektion werden wichtige Bildbereiche (z. B. Gesichter, Texturen) hervorgehoben. Basierend auf den Mustern, die das neuronale Netz während des Trainings gelernt hat, „errät“ das System fehlende Bildinformationen und füllt sie auf plausible Weise aus. Anders als bei rein mathematischen Filtern entsteht keine bloße Verstärkung von Kanten, sondern eine tatsächliche Rekonstruktion verlorener Details (sofern das Ausgangsmaterial genug Anhaltspunkte bietet).
Super Focusing
Eine der auffälligsten Neuerungen in Topaz PhotoAI 3.5 ist das Super Focusing-Modul, das als Teil des Schärfungsbereichs (Sharpen) verfügbar ist. Das Modul erkennt auch größere Unschärfen, die nicht nur durch leichte Verwacklung entstehen, sondern beispielsweise durch falsche Fokuseinstellungen oder einen zu geringen Schärfebereich (Depth of Field). Super Focusing analysiert das Bild segmentweise, um gezielt Bereiche zu identifizieren, die am stärksten von Unschärfe betroffen sind. Auf diese Weise kann es feine Details (z. B. in Haaren, Textilien oder Gesichtern) intensiver bearbeiten, während es glatte Flächen (Hintergründe, Himmel) weitgehend unangetastet lässt. Dies verhindert ein unnatürliches Überschärfen.
Leichte bis mittlere Defokussierung lässt sich damit häufig so gut korrigieren, dass das Bild für den Online-Gebrauch oder kleinere Druckformate wieder nutzbar wird. Bei extremem Fokusfehler (z. B. wenn das Motiv völlig unscharf ist) stößt jedoch auch Super Focusing an physikalische Grenzen. In solchen Fällen erzeugt das Modul zwar eine gewisse Verbesserung, kann aber keine echten „Wunder“ vollbringen.
Dank Face Recovery (Gesichtswiederherstellung) erkennt PhotoAI Gesichter in Gruppenaufnahmen und kann Details wie Augen, Lippen und Haare hervorheben, ohne dass diese unnatürlich wirken. Einzelne Gesichter lassen sich gezielt auswählen und separat optimieren. Allerdings sollte man den Effekt behutsam dosieren, um zu starke „Plastik“-Effekte zu vermeiden.
PhotoAI bietet außerdem einen Autopilot-Modus. Unter der Haube laufen dabei oft mehrere Teilmodelle: eines für Rauschreduzierung, eines für Fokuskorrektur und eines für Hochskalierung. Der Autopilot entscheidet, in welcher Reihenfolge und Intensität diese Module zum Einsatz kommen. Basierend auf dem, was die KI „sieht“, wählt sie geeignete Voreinstellungen. Anwender können diese Werte übernehmen oder nachjustieren. In Version 3.5 wurde die Autopilot-Funktion weiter verfeinert. Beim Import einer Aufnahme erkennt PhotoAI automatisch Faktoren wie Motiv, Schärfegrad und Bildrauschen und schlägt passende Optimierungsstufen vor. Wer möchte, kann diese Vorschläge übernehmen oder nach Belieben manuell anpassen.
Bei extremen Fokusfehlern oder starker Bewegungsunschärfe kann die Software zwar Verbesserungen erzielen, aber keine vollständigen Wunder wirken. Die KI „errät“ fehlende Details auf Basis von Wahrscheinlichkeiten; bei unzureichenden Anhaltspunkten im Originalbild kann das Ergebnis unnatürlich wirken. So kann es in seltenen Fällen zu „Halluzinationen“ kommen, wenn die KI Bilddetails hinzufügt, die nicht vorhanden waren. Bei sensiblen Anwendungsfällen (z. B. Dokumentarfotografie) sollte man darauf achten, dass das Bild nicht verfälscht wird.
Gigapixel
Upscale (Hochskalierung) bietet neben vordefinierten Faktoren (z. B. 2x, 4x) nun eine stufenlose Einstellung. Dank neuer KI-Modelle kann das Programm Details wie Haarsträhnen, Texturen oder Schriften noch präziser rekonstruieren. Vor allem bei älteren oder niedriger aufgelösten Bildern erzielt PhotoAI 3.5 damit beeindruckende Ergebnisse. Schriften und feine Muster bleiben scharf, ohne dass störende Artefakte auftreten.

Sharpen + DeNoise
Topaz bietet neben der All-in-one-Lösung PhotoAI auch das auf Upscaling spezialisierte Programm Gigapixel AI an, dass sich empfiehlt, wenn man primär und wiederholt hochskalieren möchte (z. B. für Kunstdrucke, große Poster, Archivierungszwecke), oder man maximale Kontrolle über den Upscaling-Prozess sucht und sehr hohe Vergrößerungsfaktoren benötigt. Gigapixel AI ist in puncto reiner Bildvergrößerung etwas umfangreicher konfigurierbar, während PhotoAI das Gesamtspektrum an KI-Optimierungen in einer einzigen Benutzeroberfläche zusammenfasst.
Neue Modelle
PhotoAI 3.5 enthält außerdem neue Modelle, die noch differenzierter zwischen Farbrauschen und Luminanzrauschen unterscheiden. Zusätzlich zu den Standardreglern für Stärke und Feindetails kann man jetzt spezifische Rauscharten (z. B. Farbrauschen) gezielt reduzieren. Selbst bei stark unterbelichteten Bildern mit ISO 6400 oder höher gelingt es der Software, das Rauschen zu mindern, ohne wichtige Details zu verwaschen. Gerade Hauttöne wirken natürlicher als in früheren Versionen.
Topaz Labs stellt für PhotoAI neben den offiziellen Release-Versionen auch immer wieder Beta-Versionen bereit, die neue oder experimentelle Funktionen beinhalten. Da sich diese Betas häufig in schneller Entwicklung befinden, können sich Inhalt und Verfügbarkeit kurzfristig ändern.
Während das reguläre „Face Recovery“ bereits offiziell verfügbar ist, testet Topaz Labs in einigen Beta-Builds verbesserte Algorithmen für Porträts, die bei stark unter- oder überbelichteten Bildern detailliertere Ergebnisse versprechen. Die Multi-Frame- bzw. Burst-Optimierung richtet sich an Fotografen, die Serienbilder oder kurze Videosequenzen (z. B. aus dem Burst-Modus einer Kamera) nutzen. Die Software versucht, Informationen aus mehreren Frames zu kombinieren, um Rauschen zu reduzieren und Details besser wiederherzustellen. Einige Test-Builds beinhalten erste Schritte in Richtung einer KI-gestützten Farbkorrektur, die über reine Rausch- und Schärfungsprozesse hinausgeht. Ziel ist es, Farbstiche automatisch zu erkennen und zu beheben oder Farben auf Basis eines Referenzfotos anzugleichen. In manchen Beta-Versionen wird an einer fortgeschrittenen Segmentierung gearbeitet, die den Hintergrund automatisch erkennt und selektiv bearbeitet. Dies könnte für Porträts, Produktfotos oder Compositing interessant sein. Ebenfalls in der Erprobung ist eine neue Optionen für den Batch-Workflow, z. B.
differenzierte Profile für unterschiedliche Motivtypen innerhalb derselben Stapelverarbeitung. Topaz Labs experimentiert außerdem mit dem Konzept, Usern das Trainieren oder Auswählen spezifischer KI-Modelle für besondere Motive zu ermöglichen (etwa für Astrofotografie oder Makroaufnahmen). Welche dieser Features in welcher Beta-Version genau enthalten sind, variiert. Topaz Labs veröffentlicht Betas meist im firmeneigenen Forum oder über direkte Beta-Programme (Einladung per E-Mail oder spezieller Link). Dort finden sich detaillierte Release-Notes, Feedback-Threads und Anleitungen zum Ausprobieren der experimentellen Funktionen. Beta-Versionen sind können in der Regel jedoch nicht für produktive Umgebungen empfohlen werden, da sie noch Fehler enthalten und sich Änderungen kurzfristig ergeben können.
Fazit
Wer regelmäßig mit unscharfen oder verrauschten Fotos arbeitet, profitiert von der KI-basierten Herangehensweise von PhotoAI, da sie oft weit über die Fähigkeiten klassischer Schärfungs- und Rauschreduzierungsmethoden hinausgeht. Die Stapelverarbeitung läuft stabil und erlaubt es, mehrere Bilder nacheinander oder parallel zu optimieren. Während der Berechnung beansprucht PhotoAI allerdings die GPU so stark, dass es bei parallel geöffneten Programmen (Photoshop, Lightroom) zu Performanceeinbußen kommen kann. Auf einem System mit einer NVIDIA RTX 3060-GPU und 16 GB RAM ließ sich eine Stapelverarbeitung von zehn 24-Megapixel-Dateien in rund 3–5 Minuten abschließen. Ältere oder weniger leistungsstarke Hardware benötigt
deutlich mehr Zeit, kann aber durch reduzierte Vorschauqualität und optimierte Einstellungen dennoch solide Ergebnisse liefern. Dennoch gilt es, sich der Grenzen und möglicher Artefakte bewusst zu sein. Bilder, die durch eine leichte Verwacklung unbrauchbar schienen, lassen sich in vielen Fällen so weit schärfen, dass sie für den Online-Einsatz völlig ausreichend sind. Bei sehr starker Bewegungsunschärfe stößt jedoch auch PhotoAI an Grenzen – hier sollte man keine Wunder erwarten. Letztlich ist PhotoAI ein Werkzeug, das physikalische Unzulänglichkeiten in Bildern durch Mustererkennung und statistische Rekonstruktion abmildern kann – und dabei bereits heute ein beeindruckendes Qualitätsniveau erreicht.