Das erste Symposium des neu gegründeten Deutschen Fotorats Anfang Juni in Hamburg war ein Weckruf für die Fotobranche. Nicht mosern sondern machen war die Botschaft an das Publikum und die engagierten Verbände, deren Gründungsmitglieder BFF, DFA, DGPh und Freelens sind.
Wie oft müssen Fotografen es noch hören, dass sie sich organisieren sollten, um ihre Bedürfnisse und Forderungen an die Politik zu formulieren. Denn ob Werbung, Kunst oder Journalismus, jeder kochte lange sein eigenes Süppchen, anstatt sich gemeinsam zu engagieren, Positionen und Papiere zu formulieren, die der Politik helfen und Entscheidungsgrundlagen schaffen. Denn nur so kann sich nachhaltig etwas verändern für die Wahrnehmung aller Teilmärkte der Fotobranche.
Der Deutsche Fotorat will die fehlenden Strukturen in der Fotobranche verbessern und machte den ersten öffentlichen Schritt dazu mit dem Symposium* „Das Auge der Gesellschaft“ zur Phototriennale Hamburg. Das Symposium startete mit einem vom BFF ausgerichtete Panel, welches über den Wandel des Berufsbildes der Fotografie diskutierte und war besetzt mit einer Hochschulprofessorin, einer Art Producerin und zwei Berufsfotografen, darunter die Vorständin des BFF, als Diskussionsleiterin. Es ging gleich zur Sache. Auf die Frage, ob schubladenübergreifendes Arbeiten Erfolg haben kann, antwortete die Art Producerin, dass „Kunden selten mutig genug sind, das zuzulassen“ und am Ende „Zahlen über Kreativität gehen“. Die Professorin beklagte, dass der „visuelle Analphabetismus voranschreitet“ und Fotografen unbedingt „Haltung entwickeln und nicht nur auf ein Pferd setzen sollten“. Die Frage, ob Fotografen künftig „nicht nur Nachtwey sondern auch Tarantino“ sein müssen, um dem Berufsbild gerecht zu werden, wurde leider nicht vertieft. Das Fazit des Berufsfotografen war, dass „Fotografen sich alle zehn Jahre neu erfinden sollten, um sich an neue Herausforderungen anzupassen“. In der Diskussion fehlten praktische Themen wie Instagram, E-Commerce oder Contentproduktion. Aber vor allem gab es keine konkreteren Aussagen zu der Frage, wo es mit dem Berufsbild hingeht.
In meinen Gesprächen mit Fotografen spielt aber genau das Berufsbild oft eine zentrale Rolle. Dass die Branche sich in den letzten Jahren radikal verändert hat, spüren viele an ihrer Auftragslage. Zum Beispiel eine Fotografin, die nach ihrem Fachhochschul-Abschluss im Fotostudio einer Modemarke arbeitet und Mode für den E-Commerce fotografiert. Eine Art Foto-Fließbandarbeit, der viele Fotografen nachgehen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Darunter namhafte Werbefotografen, Fotojournalisten, Profis und der Nachwuchs. Diese Marken- und Produktionsstudios bieten Arbeitsmöglichkeiten, wo andere Jobs nicht mehr vorhanden sind. Die Konditionen sind fragwürdig, aber diese Arbeitsverträge retten manchen Fotografen vor der Insolvenz.
Es macht den Eindruck, dass weder Auftraggeber wie Werbeagenturen und Unternehmen noch die Berufsfotografen wirklich wissen, was gewollt ist. Die Werbeagenturen sind zu abhängig von ihren Kunden und die Lehre hat (gewollt) wenig Verbindung zur Praxis, sondern kann lediglich auf die Entwicklungen des Marktes reagieren. Die erwähnte Fotografin beklagte außerdem den mangelnden Realitätscheck an ihrer Fachhochschule, sie fühle sich für die Berufsfotografie nicht gut ausgebildet. Passend dazu war die Eröffnung der Akademie für Fotografie in Hamburg ein weiteres Highlight der Phototriennale. Das Konzept der neuen Ausbildungsinstitution schließt eine essenzielle Lücke in der Ausbildung von Fotografen. Die Verbindung von Handwerk und Technik mit der inhaltlichen und konzeptionellen Auseinandersetzung mit Fotografie. Hier können angehende Fotografinnen und Fotografen vieles lernen, was das künftige und disruptive Berufsbild der Fotografie von ihnen fordert. Bereits hier kann der Grundstein für ein gemeinsames Engagement für die Sache der Fotografie gelegt werden. Aus meiner Sicht konnte das Symposium gute Denkanstöße und Impulse für die Teilmärkte der Fotografie geben. Jetzt kommt es darauf an, weiter zu denken und zu handeln.
Und wie ist Ihr Berufsbild?
Silke Güldner coacht Fotografinnen und Fotografen dabei, ihr Potenzial und ihre Kompetenz im Foto-Business zu entwickeln, zu präsentieren und zu verkaufen.
www.silkegueldner.de
*Die Aufzeichnung des Symposiums des Deutschen Fotorats kann hier abgerufen werden: https://deutscher-fotorat.de/aktuelles/