Die Deutsche Gesellschaft für Photographie, DGPh, trauert um ihren Kulturpreisträger Jürgen Wilde, der am 2. November 2025 im Alter von 88 Jahren verstorben ist.
Mit Jürgen Wilde verliert die Fotografie, so das ehemalige DGPh-Vorstandsmitglied Simone Klein, „einen ihrer bedeutendsten Wegbereiter – einen Galeristen, Sammler, Wissenschaftler und leidenschaftlichen Fürsprecher des Mediums als Kunstform.“
Gemeinsam mit seiner Frau Ann Wilde habe Jürgen Wilde, so Klein, „das Fundament gelegt, auf dem die Fotografie in Deutschland ihren Platz in der Kunstwelt gefunden hat.“ Erst wenige Wochen vor seinem Tod wurden Ann und Jürgen Wilde mit dem Kulturpreis 2025 der DGPh ausgezeichnet – „als späte, aber höchst verdiente Anerkennung für ihr gemeinsames Lebenswerk. Dass Jürgen Wilde diesen Moment erleben und genießen konnte, erfüllt uns mit tiefer Dankbarkeit“, so Simone Klein.
Ann und Jürgen Wilde waren die Pioniere des Foto-Kunstmarkts in Deutschland. 1972 gründeten sie in Köln die erste kommerzielle Galerie, die ausschließlich der Fotografie gewidmet war – ein Schritt, der damals Mut, Überzeugung und Leidenschaft erforderte.
Sie präsentierten Fotografien im Passepartout, sorgfältig gerahmt und klassisch gehängt – und machten damit sichtbar, dass das Medium denselben ästhetischen Rang verdient wie Malerei oder Grafik.
Ihr Programm verband die Avantgarde der 1920er- und 30er-Jahre – August Sander, Albert Renger-Patzsch, Germaine Krull, Florence Henri, Aenne Biermann, Karl Blossfeldt – mit zeitgenössischen Positionen aus Europa und den USA. Die Galerie Wilde wurde zum Treffpunkt für Sammlerinnen, Kuratorinnen und Künstler*innen weltweit und trug entscheidend dazu bei, Fotografie im internationalen Kunstkontext zu verankern.
Jürgen Wilde, ursprünglich Kunsthistoriker mit technischem Hintergrund, arbeitete in den 1960er Jahren für L. Fritz Gruber an den legendären Photokina-Bilderschauen – eine Schule des Sehens, die sein späteres Wirken prägte. Der Erwerb von Teilen des Nachlasses des Kunsthistorikers Franz Roh im Jahr 1968 markierte den Beginn eines Lebensprojekts: die Erforschung und Bewahrung der Fotografie der Neuen Sachlichkeit und des Neuen Sehens.
Mit Ann Wilde spürte er vergessene Werke auf – etwa von Germaine Krull oder Moi Ver – und gab ihnen ihren Platz in der Kunstgeschichte zurück. Sie berieten Museen, lieferten Impulse für Ausstellungen und trugen maßgeblich dazu bei, dass die documenta 6 (1977) das Medium Fotografie erstmals in den Kanon der bildenden Künste aufnahm.
Nach der Schließung ihrer Galerie 1985 widmeten sich Ann und Jürgen Wilde vollständig der wissenschaftlichen Arbeit. Sie erschlossen die Archive von Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch, die 1991 als nationales Kulturgut anerkannt wurden, und bauten eine Sammlung von einzigartiger Tiefe und Qualität auf.
Diese Bestände bilden heute das Herz der Stiftung Ann und Jürgen Wilde, die seit 2010 in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen / Pinakothek der Moderne in München beheimatet ist – ein Ort, an dem Forschung, Bewahrung und Vermittlung der Fotografie zusammenfließen.
„Er war ein Kenner und ein Lehrer – streng, präzise, aber immer von tiefem Respekt vor dem Medium Fotografie erfüllt“, so Simone Klein.
So verstand Wilde die Unterscheidung zwischen einem Vintage Print und einem späteren Abzug nicht als technische Feinheit, sondern als Ausdruck künstlerischer Integrität.
„Jürgen Wilde hinterlässt ein Lebenswerk, das weit über sein eigenes Wirken hinausstrahlt: die Anerkennung der Fotografie als Kunst, die Bewahrung fotografischer Geschichte und eine Stiftung, die auch künftigen Generationen den Blick für das fotografische Bild schärfen wird“, sagt Simone Klein. „Sein Werk, seine Haltung und seine Leidenschaft werden fortbestehen – in den Bildern, die er bewahrt hat, und in all jenen, die von ihm gelernt haben, die Fotografie zu sehen“, so die Kunstmarkt-Experin abschließend.
(Foto: Philipp J. Bösel DGPh)













