Das jüngste Berliner Hafturteil in Sachen Fotokunst-Fälschung und das US-Urteil zugunsten der Helmut Newton Foundation markierten in diesem Jahr eine harte Linie gegen unauthorisierte Modern Prints und irreführende COAs. Wer kauft, muss prüfen – wer Rechte hält, muss sie dokumentieren und durchsetzen. Nur so bleibt Fotografie als Sammlergebiet vertrauenswürdig.
Wie ProfiFoto berichtete, verurteilte am 4. November 2025 das Landgericht Berlin mehrere Angeklagte wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs mit gefälschten Fotografien zu teils mehrjährigen Haftstrafen. Verkauft wurde ein Konvolut angeblicher Vintage-Prints prominenter Autoren (u. a. Helmut Newton, Cindy Sherman, Richard Prince) für rund 1,5 Mio. Euro—tatsächlich handelte es sich um wertlose Digitaldrucke mit gefälschten Signaturen, Stempeln und Provenienzangaben. Das Urteil umfasst Freiheitsstrafen bis zu 7 Jahren 9 Monaten sowie Wertersatz in Millionenhöhe.
Bereits im Mai 2025 erzielte die Helmut Newton Foundation vor dem U.S. District Court (Central District of California) einen wegweisenden Erfolg gegen Norman Solomon und weitere Beklagte: Das Gericht untersagte Produktion, Vertrieb und Ausstellung nicht genehmigter Newton-Abzüge, ordnete die Vernichtung solcher Prints sowie Schadensersatz und Erstattung der Anwaltskosten an. Die Stiftung warnt seither ausdrücklich vor sämtlichen Newton-Prints mit Solomon-Provenienz (inkl. Weiterverkäufern wie „Global Images“).
Bereits 2012 hatte es eine Einigung in einem früheren Verfahren mit Solomon gegeben. Das jetzt geführte, zweite Verfahren der Foundation in Kalifornien zeigt, wie ernst der Rechteinhaber systematische Rechtsdurchsetzung nimmt;
Modern-Print-Missbrauch ist kein neues Phänomen. Wie sie den Markt schon vor Jahren prägten, zeigen historische Präzedenzfälle. So tauchten in den 1990er Jahren unerwartet viele Vintage-Prints von Lewis Hine in New York auf. Papier- und Stempelanalysen belegten, dass es sich um späte Abzüge post mortem handelte; Rückabwicklungen und Klagen folgten. In Paris sorgten etwa zur selben Zeit als „Vintage“ deklarierte Abzüge aus Man Ray–Serien für Nachforschungen, die sich als Fakes oder unerlaubte Nachabzüge erwiesen; Abweichungen bei Papier, Beschnitt, Stempeln und Signaturen entlarvten die Ware.
Ein Paradefall für das Risiko zweifelhafter Zuschreibungen ereignete sich 2010 in Kalifornieren. Mit auf einem Flohmarkt erstandenen Glasnegativen erstellte ein Betrüger Prints, die er Ansel Adams zuschrieb (Norsigian-Negative) und vermarktete sie als Originale. Der Ansel Adams Trust widersprach—ein Vergleich untersagte die Vermarktung unter dem Namen Adams. Auch dies ein Paradefall für das Risiko zweifelhafter Zuschreibungen.
Immer wieder kursieren außerdem als Henri Cartier-Bresson „Vintage“ ausgegebene späte Abzüge mit unklarer Herkunft.
COA: Echtheitszertifikat
Vor solchen Betrügerein soll eigentlich ein Certificate of Authenticity (COA) schützen, aber auch das ist nur so glaubwürdig wie sein Aussteller. Problemquellen sind COAs ohne Mandat vom Künstler oder Estate, nachträgliche Blanko-Bescheinigungen und Zertifikate ohne Werkbindung (Inventarnummer/Hologramm/QR). Im Newton-Fall wurden irreführende COAs ausdrücklich entwertet und der Handel untersagt.
Problematische Modern Prints erkennt man unter anderem aber auch an den verwendeten Papiersorten und optischen Aufhellern (OBAs). Wasserzeichen und Herstellerlogos müssen zum behaupteten Druckjahr passen, was u.a. im genannten Hine-Fall zur Aufklärung führte.
Gibt es die Edition in dieser Form überhaupt? Stimmen Stempeltypen, Tinten, Platzierungen mit Referenzabzügen und der Policy des Estates überein? Ist die Provenienz-Kette lückenlos (Erstverkauf → Galerie → Sammler → Auktion)? Risikoindikatoren sind vorgebliche Dachbodenfunde, plötzlich auftauchende Massenvorkommen seltener Motive und unklare „Nachlässe“.
Bei einem Werkvergleich mit gesicherten Museums-/Estate-Beständen geben Dichtekurve, Beschnitt, Bildrand und Retuschen Hinweise; Abweichungen müssen plausibel dokumentiert sein.
Auskunft kann auch die Publikationsgeschichte eines Prints geben: Gibt es zeitgenössische Kataloge, Ausstellungen, Magazinbelege? Tauchte der konkrete Abzug (Maß, Papier, Stempel) irgendwo nachprüfbar auf?
Schutz in der Praxis
Für Käufer und Sammler ist der beste Schutz vor Fehlkäufen, das Estate oder den Künstler direkt zu kontaktieren, um sich Autorisierung, Edition und Archiv-ID bestätigen zu lassen. Hinweise ergeben sich ggf. auch aus der Forensik: UV/OBAs-Check, Papierfaser/Wasserzeichen, ggfs. Labor-Check.
Ein COA sollte nur von legitimierten Stellen (Künstler, Estate, autorisierte Galerie) akzeptiert werden und physisch ans Werk gebunden sein (Hologramm/QR/Inventarnummer).
In Kaufverträgen sollte klar ausformuliert sein, ob es sich um einen „Vintage“ oder einen „Modern Print“ handelt, wann er autorisiert wurde und wie die Rückabwicklung und der Schadensersatz bei Falschdeklaration geregelt sind. Auktionshäuser garantieren in aller Regel die Authentizität über den Zuschlag hinaus.
Für Fotografen empfehlen sich klare Editionierungs-Policies: Auflagen, Zustandsvarianten (Größe/Papier), Druckjahr müssen nachvollziehbar dokumentiert werden. Ein eigenes COA-System sollte die Werk-ID, ein Hologramm/QR und ggf. einen Eintrag in einem Verzeichnis umfassen. Logbücher sollten Druckprotokolle enthalten: Wer druckt wann wie viele Abzüge? Öffentliche Referenzdatenbanken, die das Bild, seine Maße, das verwendete Papier, die Technik und die Editionsgröße beinhalten, dienen zur schnellen Verifikation durch den Handel und Sammler. Im Zweifel dient der konsequenten Rechtsdurchsetzung klare Kommunikation in Form von Warnlisten (wie im Newton-Fall).
Fazit
Materialanalyse, Provenienz, Editionsklarheit sind nicht optional, sondern Pflicht. Wer kauft, muss prüfen—wer Rechte hält, muss dokumentieren und durchsetzen. Nur so bleibt Fotografie als Sammlergebiet vertrauenswürdig.
Foto Oben: Hahnemühle Zertifizierung













