Das Bundesjustizministerium arbeitet bekanntlich derzeit an einem neuen Gesetz gegen voyeuristische Aufnahmen. Jetzt wäre daher der richtige Moment, an dem die Foto-Community ihre Anforderungen formulieren und sich in die Diskussion einbringen sollte. Denn wenn der Gesetzentwurf einmal fertig ist, ist es für grundlegende Korrekturen oft zu spät.

Voyeurismus oder Kunst? (Foto: Thomas Gerwers)
Ziel des geplanten Gesetzes soll sein, Betroffene besser zu schützen und strafrechtliche Lücken zu schließen – besonders in Fällen, in denen Personen gegen ihren Willen gefilmt oder fotografiert und anschließend im Netz bloßgestellt werden.
Was dieses Gesetz konkret enthalten wird, ist noch völlig offen. Einen Entwurf gibt es bislang nicht. Aber die öffentliche Diskussion zeigt, dass die geplante Reform weitreichend sein könnte.
Während der Schutz vor digitaler sexueller Belästigung dringend nötig ist, steht zugleich eine Frage im Raum, die die gesamte fotografische Community betrifft: Wie verhindert man, dass ein Gesetz gegen Voyeurismus unbeabsichtigt die Straßenfotografie, den Fotojournalismus und die künstlerische Dokumentation einschnürt?
Die bisher bekannten Eckpunkte aus politischen Statements lassen darauf schließen, dass voyeuristische Aufnahmen im öffentlichen Raum strafbar werden sollen, wobei nicht nur Aufnahmen von nackter Haut, sondern auch von bekleideten Körperbereichen betroffen sein könnten, bei denen die „subjektive sexualisierende Wirkung“ eine Rolle spielen könnte.
Solche Formulierungen – wenn sie tatsächlich Teil eines Entwurfs werden – könnten unbeabsichtigte Folgen für die fotografische Praxis haben. Daher ist es wichtig, jetzt darüber zu sprechen, bevor der Gesetzestext entsteht.
Damit der Schutz vor Übergriffen nicht zum Risiko für dokumentarische Fotografie wird, müssen zentrale Punkte frühzeitig berücksichtigt werden:
Wie wird „voyeuristisch“ definiert? Der Begriff muss eng, objektiv, klar nachweisbar sein.
Dokumentarische Fotografie darf nicht mit sexualisierten Übergriffen in einen Topf geworfen werden.
Wie wird die Absicht bestimmt? Fotografie im öffentlichen Raum darf nicht kriminalisiert werden, nur weil jemand im Nachhinein behauptet, sich „sexualisiert dargestellt“ zu fühlen.
Was ist mit zufällig abgebildeten Körperteilen? Straßenfotografie lebt von ungeplanten Momenten. Ein Foto darf nicht strafrechtlich relevant werden, nur weil z. B. Beine, Rücken oder Silhouetten im Bild sind.
Wie wird journalistische, künstlerische und dokumentarische Arbeit geschützt? Hier braucht es explizite Ausnahmen, wie sie viele europäische Länder kennen.
Wie bleibt Rechtssicherheit bestehen? Niemand kann künstlerisch oder journalistisch arbeiten, wenn er jederzeit fürchten muss, dass ein Bild strafrechtlich ausgelegt werden könnte.
Was die Foto-Community jetzt fordern sollte, bevor der Gesetzesentwurf fertiggestellt wird:
Eine präzise, eng gefasste Definition voyeuristischer Aufnahmen, die nur gezielte sexuelle Übergriffe erfasst. Eine ausdrückliche Ausnahme für journalistische, dokumentarische und künstlerische Fotografie. Eine objektive Nachweisbarkeit der sexualisierten Absicht, nicht bloß subjektives Empfinden. Eine klare Trennung zwischen Alltagsfotografie im öffentlichen Raum und gezielter, sexueller Bildherstellung. Ein Dialog zwischen Gesetzgeber und Vertretern aus Fotografie, Medienrecht und Kunst, bevor der Entwurf finalisiert wird.
Fazit: Schutz ja – aber ohne Kollateralschaden für die Bildkultur. Niemand möchte, dass Voyeurismus und digitale Übergriffe straffrei bleiben. Ein wirksames Gesetz ist wichtig und notwendig. Aber ebenso wichtig ist, dass eine Reform nicht unbeabsichtigt die fotografische Dokumentation des öffentlichen Lebens kriminalisiert.
Kommentar von: Thomas Gerwers (Foto oben: Götz Schleser)













