Bundesaußenminister Johann Wadephul möchte sein Porträt in jeder Botschaft aufgehängt wissen. Politisch mag das Geschmackssache sein – fotografisch ist es ein Ereignis.
Es gibt Bilder, die wollen nichts. Und es gibt Bilder, die wollen wirken. Das offizielle Ministerporträt gehört zur zweiten Kategorie – eine Spezies, von der man dachte, sie sei mit den letzten Rollfilmkisten des BMI ins Archiv gewandert. Doch nun erlebt das „Machtbild“ eine Renaissance:
Denn das gerahmte Amtsbild ist eine Art analoge Machtdemonstration, eine visuelle Markierung, die tief im kulturellen Bildgedächtnis steckt. Es ist das Gegenteil all dessen, was die visuelle Gegenwart sonst produziert: kein Selfie, kein Reel, kein Moment. Ein Amtsbild steht für das, was Fototheoretikerinnen als „stabile Repräsentation“ bezeichnen. Ein Porträt, das nicht flüchtig ist, sondern verbindlich.
Während die zeitgenössische Fotografie versucht, sich aus den Fängen ihrer eigenen Bedeutung zu winden – Authentizität! Identität! Wirklichkeit! – ist das Wandporträt erstaunlich unmodern. Und genau dadurch hochmodern.
Es ist ein Ritualbild: Ein Bild, das keine Emotion erzeugen soll, sondern Ordnung. Ein Bild, das nicht gesehen, sondern bezeugt wird. Ein Bild, das seine Kraft nicht aus Ästhetik bezieht, sondern aus Position.
Fotohistorisch betrachtet gehört es zur gleichen Tradition wie das Herrscherporträt der Renaissance: frontal, würdevoll, kontrolliert – nur dass heute statt Ölfarbe ein 85-Millimeter-Objektiv und ein Beauty-Dish zum Einsatz kommen. Der Gestus ist derselbe: „Ich bin hier, also gilt’s.“
Wir leben in einer Zeit, in der Minister auf Social Media versuchen, Nähe zu simulieren. Wandporträts tun das Gegenteil: Sie simulieren Distanz. Und sind damit ausgerechnet das ehrlichste Bildprodukt des politischen Betriebs.
Denn das gedruckte Porträt ist – wie Roland Barthes sagen würde – ein „Bild, das sich seiner eigenen Inszenierung bewusst ist“. Es kriecht nicht in die Timeline, es versucht nicht, Likes zu sammeln. Es verlangt nur eines: Gerahmt zu werden.
Und dieser Rahmen ist keine Nebensache. Er ist das fotografische Pendant zur Uniform: eine Form, die Autorität nicht zeigt, sondern herstellt.
Dass dieses Genre nun wieder politisch aufgeladen wird, ist reine Ironie:
Die Politik entdeckt das analoge Porträt, während die Fotowelt mit KI, Prompting, Posthumanismus und Bildkritik ringt.
Und dann steht da dieses Bild – einsam an der Botschaftswand – und führt uns vor:
Manchmal ist das mächtigste Foto dasjenige, das einfach nur stillsteht.
Vielleicht erleben wir gerade, unbeabsichtigt, die Rehabilitierung des klassischen Porträts: als Objekt, als Artefakt, als symbolisches Bild. Ein ikonografischer Dinosaurier, der nicht aussterben will, weil Macht nun mal ein Gesicht braucht. Gerahmt. Unironisch. Amtlich.
Meint: Thomas Gerwers
Foto oben: Bundesregierung / Jesco Denzel













