In einer Zeit, in der Digitalkonsum die Fotografie dominiert, erlebt ein analoges Medium eine bemerkenswerte Renaissance: das Zine – ein meist selbst gestaltetes, unabhängiges Heft, das in kleinen Auflagen produziert und über alternative Kanäle verbreitet wird.

Zines von Penthaus für schöne Formate
Diese Publikationsform des Zine hat ihren Ursprung in Subkulturen und Independent-Szenen, ist heute jedoch fest als Ausdrucksformat in der zeitgenössischen Fotografie verankert.
Was ist ein Zine?
Der Begriff Zine leitet sich vom englischen Wort „magazine“ ab und bezeichnet ein selbst publiziertes Heft, das außerhalb des traditionellen Verlagswesens entsteht. Zines erscheinen in Auflagen von wenigen Dutzend bis einigen Hundert Exemplaren und werden meist im Eigenverlag produziert. Oft sind sie Ergebnis einer sehr persönlichen künstlerischen oder politischen Haltung. Die Produktion erfolgt bewusst niedrigschwellig – ob am heimischen Drucker, im Copyshop oder via Risografie. Diese Unabhängigkeit schafft Freiräume, die in der professionellen Publikationslandschaft selten geworden sind.
- Zine von Marina Monaco, I Saw You II, We Make It
- Zine von Matt Dreams, We Make It
- Zine von Mixam
Ursprünglich stammten Zines aus der Punk- und Hardcore-Szene der 1970er- und 80er-Jahre. Sie dienten als Sprachrohr für eine Gegenöffentlichkeit, die sich weder über etablierte Medien noch kulturelle Institutionen ausdrücken konnte. Heute werden Zines in der Fotografie vor allem als künstlerisches Ausdrucksmittel genutzt – oft von einer Generation, die gegenüber der Bildindustrie misstrauisch ist und eigene Narrative entwickeln möchte.
Doch die DNA der Zine-Kultur ist geblieben: Sie ist radikal unabhängig, demokratisch zugänglich und bewusst unperfekt. Zines besitzen eine Aura des Unmittelbaren und Persönlichen. Sie sind für viele Fotografen ein Ort, an dem sie experimentieren können, bevor eine Idee als Fotobuch oder Ausstellung realisiert wird.
Die steigende Bedeutung von Zines in der Fotografie hat mehrere Gründe. Zum einen sind Zines Ausdruck einer Rückbesinnung auf Materialität. In einer Welt der immateriellen Bilder erfüllt das gedruckte Heft das Bedürfnis nach Haptik und dem Besitz einer physischen Spur. Zines lassen sich anfassen, weitergeben, sammeln und besitzen – etwas, das digitale Plattformen nicht leisten können.
Zum anderen bieten Zines jungen Fotografen eine Möglichkeit, sich der Logik von Wettbewerb, Followerzahlen und Algorithmen zu entziehen. Ein Zine muss sich nicht dem Markt unterwerfen. Es muss nicht gefallen oder verkaufen. Es darf auch nur existieren, weil es für seine Autorin oder seinen Autor etwas bedeutet.
Hinzu kommt: Die Herstellung von Zines ist technisch vergleichsweise einfach und kostengünstig. Copyshops sind erschwinglich, Risografie erfreut sich wachsender Beliebtheit, und Layoutsoftware ist frei verfügbar. Diese Kombination aus Zugänglichkeit und Ausdruckskraft macht das Zine zu einem Medium, das nicht nur als Nische überlebt, sondern eine neue Relevanz erlangt.
Ästhetik und Produktion
Die ästhetischen Möglichkeiten eines Zines sind vielfältig. Das Format reicht von A6 bis A4, von 12 bis 80 Seiten – je nach Konzept und Budget. Häufig werden Schwarz-Weiß-Fotos im DIY-Look mit handgeschriebenen Texten, Collagen oder Zeichnungen kombiniert. Andere Zines sind akribisch gestaltet, mit hochqualitativen Papieren, experimentellen Bindungen und Farbdrucken, die zunehmend über Risografie oder Digitaldruck laufen. Dabei bleibt die Produktion bewusst limitiert. Jeder Fehler im Druck, jede Unebenheit in der Bindung ist Teil des Charakters und der Authentizität.
Je nach Anspruch, Budget und gewünschter Optik bieten sich unterschiedliche Druck-Partner an – vom spezialisierten Risografie-Studio bis hin zu Online-Druckereien mit kurzen Auflagen.
Vor alIem in Berlin hat sich eine lebendige Szene von Werkstätten etabliert, die eng mit der Zine- und Artbook-Kultur verbunden sind. We make it versteht sich als Risografie- und Buchstudio, das den gesamten Prozess des unabhängigen Publizierens begleitet – von der Beratung über die Druckabwicklung bis hin zur Bindung. Für viele Künstler ist es nicht nur Dienstleister, sondern auch Sparringspartner bei der Entwicklung eines Projekts.
Ebenfalls in Berlin sitzt Colorama, ein Risografie-Studio und Verlag, das seit Jahren Comics, Zines, Artbooks und Drucke produziert. Colorama ist tief in der internationalen Zine- und Comic-Szene vernetzt und eignet sich besonders für Projekte, bei denen die künstlerische Handschrift und die Materialität des Risodrucks im Vordergrund stehen.
Mit Outer Space Press existiert ein weiteres Berliner Studio, das sich stark auf Risografie konzentriert. Das Studio arbeitet eng mit Kunst- und Kulturschaffenden zusammen und versteht den Risodruck als eigenständige, visuell prägnante Technik – ideal für markante Bildserien, die von der typischen Körnung und den leuchtenden Farben profitieren.
Wer eher in Richtung offenes Werkstattprinzip gehen möchte, findet im Penthaus für schöne Formate eine soziale und kulturelle Druckwerkstatt, die Künstlern und Initiativen Risografie als bezahlbare und umweltfreundliche Technik zugänglich macht. Hier geht es nicht nur um das Endprodukt, sondern auch um den Lernprozess und das gemeinsame Experimentieren.
Für Zine-Macher, die außerhalb Deutschlands produzieren oder lieber mit Online-Dienstleistern arbeiten, gibt es eine Reihe spezialisierter Anbieter. Mixam bietet in Großbritannien Zine-Druck mit unterschiedlichen Formaten, Papieren und Bindungen an und ist auf kleine bis mittlere Auflagen ausgelegt – auch Fotozines werden explizit adressiert.
Eine weitere Option ist YouLovePrint, das sich ebenfalls auf Zine-Produktionen mit FSC-zertifizierten Papieren, verschiedenen Bindungsarten und kurzen Laufzeiten spezialisiert hat. Der Service richtet sich bewusst an unabhängige Kreative, kleine Pressen und Zine-Festivals.
Noch stärker fokussiert ist ZinePrinter, ein Anbieter, der seit vielen Jahren Zines mit Digital- und Offsetdruck produziert und kurze Auflagen mit transparent kalkulierbaren Preisen kombiniert. Gerade für Fotografie-Zines ist die Kombination aus flexiblen Papieren, FSC-Zertifizierung und Versandmöglichkeiten in verschiedene Länder attraktiv.
Wer besonderen Wert auf die Ästhetik der Risografie legt, findet mit Studios wie Riso Pop in Amsterdam oder RISOFORT in Hamburg Partner, die nicht nur drucken, sondern auch Workshops und Beratung anbieten. Diese Orte sind oft zugleich Community-Spaces, in denen sich Zine-Macher vernetzen, voneinander lernen und neue Projekte anstoßen.
Damit lässt sich grob unterscheiden: Lokale Risowerkstätten eignen sich besonders für künstlerische und experimentelle Projekte mit enger Abstimmung und haptischem Fokus, während Online-Druckereien Vorteile bei Kalkulation, Geschwindigkeit und internationalem Versand bieten. Für viele Fotografinnen und Fotografen ist es sinnvoll, beides zu kombinieren – etwa das erste, experimentelle Zine in einer Berliner Risowerkstatt zu drucken und bei einer Online-Druckerei später eine leicht angepasste Version in größerer Auflage zu produzieren.
Vertrieb und Szene
Zines entstehen selten für den Massenmarkt – sie sind Teil einer Kultur, die sich durch persönliche Netzwerke, Veranstaltungen und unabhängige Händler verbreitet. In Berlin etwa gilt Urban Spree als ein zentraler Ort für die Zinekultur im fotografischen Umfeld. Auch Buchhandlungen wie „do you read me?!“ oder „Hundt Hammer Stein“ bieten regelmäßig Zines an. International kooperieren Instanzen wie Printed Matter (New York) oder Café Royal Books (Manchester) mit Künstlern und Kollektiven.
Einige Zines wachsen im Anschluss über ihre ursprüngliche Form hinaus. Was als stapelkopiertes Heft begann, kann später zum Fotobuch avancieren oder international rezipiert werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei Zine-Festivals und Art Book Fairs – etwa Miss Read in Berlin oder die NY Art Book Fair, die Zines als Teil eines globalen kreativen Netzwerks feiern.
Für viele Fotografinnen und Fotografen sind Zines ein erster Schritt in die Welt der Publikation – niedrigschwellig, selbstbestimmt und oft ermutigend. Das Zine kann als Skizzenbuch, Experimentierraum oder Gesellenstück dienen. Andere produzieren Zines bewusst als Alternativformat zum traditionellen Fotobuch. Die Entscheidung ist nicht entweder/oder – viele Zine-Schaffende entwerfen parallel Fotobücher, Multimediaprojekte oder Installationen.
Und doch besitzt das Zine eine Qualität, die kein Verlag jemals eins zu eins reproduzieren kann: Es fühlt sich nach der Vision des Autors an. Es ist roh. Es ist ungeschliffen. Und es trägt Spuren eines echten, persönlichen Prozesses.
Fazit
Zines sind heute mehr als ein nostalgisches Relikt aus der Punk-Ära. Sie sind lebendiges Kulturgut, das die Fotografie neu kodiert. Sie entziehen sich Regeln, nehmen sich Freiheiten und geben diese wieder zurück – an jene, die sie lesen, blättern, behalten oder weiterreichen. In einer Welt automatisierter Bildproduktion bleibt das Zine ein Ort des Widerstands: nicht laut, aber eigensinnig. Und genau das macht es unverzichtbar.
Foto oben: Sergej Vutuc, Cista Zona Chernobyl, produiziert von We make it, Berlin
Genannte Druckereien und Werkstätten (Auswahl):
We make it, Berlin – we-make.it/
Colorama, Berlin – colorama.space/
Outer Space Press, Berlin – outerspacepress.com/
Penthaus für schöne Formate, Berlin – citytoolbox.net
Mixam (Zine Printing) – mixam.co.uk/zines
YouLovePrint (Zine Printing) – youloveprint.co.uk
ZinePrinter – zineprinter.com/
Riso Pop, Amsterdam – risopop.com/
RISOFORT, Hamburg – risofort.press/














