Canon, Nikon und Sony planen, in diesem Jahr das digitale C2PA Signatursystem der Content Authenticity Initiative (CAI) in ihren Profikameras zu integrieren. Die Konzepte der drei Hersteller gehen dabei aber weiter als Leica bei der M11-P.
Die Möglichkeiten zur Erstellung „gefälschter“ Bilder werden immer zahlreicher. Forscher der chinesischen Tsinghua-Universität stellten jüngst ein so genanntes latentes Konsistenzmodell vor, das in der Lage sein soll, mit Hilfe von KI eigenständig hunderttausende Bilder pro Tag eigenständig zu generieren. Andere Technologieunternehmen arbeiten an Möglichkeiten, synthetisch erzeugte Bilder zu identifizieren und entsprechend kenntlich zu machen.
So veröffentlichte Google bereits im letzten Sommer ein Tool, das unsichtbare digitale Wasserzeichen in KI-generierte Bilder einbettet. Schon 2022 stellte Intel eine Technologie vor, mit der sich die Echtheit eines Fotos durch die Analyse der Hauttöne feststellen lässt.
Im Gegensatz dazu verfolgt der Ansatz der Content Authenticity Initiative den gegenteiligen Weg, nämlich über Content Credentials die Echtheit eines Fotos nachzuweisen.
Content Credentials
Bislang können solche Nachweise, außer bei Aufnahmen mit der Leica M11-P, erst bei der Bildbearbeitung eingebettet werden. Das missing link beim CAI-Konzept sind weitere Kameras, die bereits direkt bei der Aufnahme Content Credentials mit der Bilddatei verknüpfen.
Aktuell stehen Canon, Nikon und Sony kurz vor dem Abschluss entsprechender Entwicklungen. Während Sony sein System in Zusammenarbeit mit The Associated Press in einem Feldversuch getestet hat, kooperiert Nikon mit der in Paris
ansässigen Nachrichtenagentur Agence France-Press (AFP) und
Canon mit der Agentur Reuters.
Alle drei Kamerahersteller, die gemeinsam rund 90 Prozent des weltweiten Digitalkameramarktes beherrschen, wollen über den von der Coalition for Content Provenance and Authenticity (C2PA) entwickelten Standard hinausgehen.
Kooperationen
Zu diesem Zweck arbeitet Sony mit Camera Bits zusammen, einem Unternehmen, das hinter dem Workflow-Tool Photo Mechanic steht. Zusammen mit Sony und AP hat Camera Bits eine Technologie in die Workflow-Software Photo Mechanic integriert, die die digitale Signatur der Kamera während des gesamten Bearbeitungsprozesses der Metadaten sichert und bewahrt. Den Feldtest von Sony und AP hat der Prozess bereits bestanden, so dass ein entsprechendes Firmware-Update für die Alpha 9 III sowie die Modelle Alpha 1 und Alpha 7S III kurz bevorsteht. Der komplette Workflow wird allerdings möglicherweise zunächst nur für Nutzer der seit 25 Jahren im Fotojournalismus eingesetzten Photo Mechanic Software zur Verfügung stehen.
Yann Salmon Legagneur, Marketing Director bei Sony Europe: „Durch die Arbeit im Lenkungsausschuss der C2PA haben wir dazu beigetragen, den aktuellen Industriestandard für die Nachverfolgung von Bildbearbeitung und -manipulation zu setzen. Darüber hinaus hat unsere kamerainterne Authentizitätstechnologie wertvolle Ergebnisse geliefert. Wir werden ihre Entwicklung weiter vorantreiben, um sie auf breiter Basis zu veröffentlichen.”
Nikon hat in Kooperation mit Agence France Press (AFP) eine Bildnachweisfunktion in Form eines „digitalen Wasserzeichens“ entwickelt. Die in Kürze in der Z9 implementierte Funktion verwendet eine Hashwert-Aufzeichnung (General Boxes Hash Assertion), die die C2PA-Spezifikationen um Multi-Picture Format (MPF) Informationen ergänzt.
Selbst, wenn die Metadaten, die den C2PA-Spezifikationen entsprechen, versehentlich gelöscht werden, kann so die Korrelation mit dem Originalbild ermittelt werden. Dies ermöglicht den Aufbau eines robusteren Authentizitätssystems und trägt damit zu einer qualitativ hochwertigeren Bildüberprüfung bei.
Ein AFP-Sprecher kommentiert: „Durch diese Partnerschaft und die neue Funktion sind wir in der Lage, die Art und Weise, wie Bilder beschafft, verifiziert und weitergegeben werden, weiterzuentwickeln und so Authentizität und Transparenz zu gewährleisten.“
Canon will ebenfalls in diesem Jahr eine Kamera mit vergleichbaren Funktionen vorstellen. Darüber hinaus arbeitet Canon an einer App, mit der sich feststellen lässt, ob Bilder tatsächlich mit einer Kamera aufgenommen wurden und ob ein Bild nachträglich verändert wurde. Geplant ist, auch Videos mit digitalen Signaturen zu versehen.
„Viele Fotojournalisten verlassen sich auf die Technologien von Canon. Wir verstehen die Rolle, die Bilder in der Gesellschaft spielen, und wissen, wie wichtig es ist, die Authentizität von Bildern zu bewahren”, so Richard Shepherd von Canon Europe.
Zu diesem Zweck hat Canon bereits 2019 ein Projektteam zusammengestellt, an dem neben Reuters auch das Starling Lab for Data Integrity beteiligt ist, ein Institut, das von der Stanford University und der University of Southern California mitbegründet wurde.
Im Rahmen des Pilotprojekts nahmen Reuters-Fotojournalisten Bilder mit einem Prototyp auf, der jedem Foto Angaben zur Aufnahmezeit, zum Datum und dem Ort als Hash-Wert zuweist und sie anschließend kryptografisch signiert. Die Fotos werden dann in einer öffentlichen Blockchain registriert und nach jeder Änderung durch die Reuters-Bilderredaktion aktualisiert. Dieser Prozess wird so lange fortgesetzt, bis das Foto mit seinen Metadaten, dem Änderungsverlauf und der Blockchain-Registrierung, die in das Foto eingebettet ist, unter Verwendung des C2PA-Standards weitergegeben wird. Um die Authentizität des Bildes zu überprüfen, können User den eindeutigen Identifikator (Hash-Wert) im öffentlichen Ledger vergleichen.
Reuters plant, das von Starling Lab entwickelte Authentifizierungssystem in seinen Bildredaktions-Workflow zu integrieren. Rickey Rogers, Global Editor, Reuters Pictures: „Unsere Zusammenarbeit mit Canon zeigt das Potenzial neuer Technologien für die Bildverifizierung. Unser Ziel ist es, eine der vertrauenswürdigsten globalen Nachrichtenquellen zu bleiben”.
Verify
Währenddessen gehen immer realistischere Fälschungen in sozialen Netzwerken viral, die vielen Menschen als einzige Informationsquelle genügen. Bislang hat jedoch keiner der großen Social-Media-Akteure Interesse an den Bemühungen der CAI gezeigt. Weder Meta noch TikTok sind auf der Liste der CAI-Mitglieder zu finden. Ohne deren Unterstützung bleibt die Wahrheitsfindung den Nutzern überlassen. Die Praxis vieler Netzwerke, aus Datenschutzgründen Metadaten aus geposteten Bildern zu entfernen, steht dem entgegen.
Als Gegenmaßnahme hat die CAI die Online-Bilddatenbank Verify vorgestellt, über die dort hinterlegte Daten überprüft werden können. Wer auf ein eigens entwickeltes Icon klickt, das in entsprechend signierte Bilder sichtbar eingebettet werden kann, erhält auf einfache Weise Einblick in die Informationen zu der Bilddatei.