Für eine Talkrunde mit Fotografinnen und Auftraggebern habe ich mich auf das Thema „Die weibliche Perspektive – Sichtbarkeit als Fotografin“ vorbereitet und zu dem Zweck einige Quellen recherchiert, die sich mit der Frauen-Quote in der Berufsfotografie befassen. Wie ist es um die Wertschätzung der Arbeit von Fotografinnen bestellt und welche Jobs wollen Frauen gerne machen? Im Talk wurde rasch klar, dass es ein sensibles Thema für beide Seiten ist und diese Fragen nicht pauschal beantwortet werden können, ohne über die Hintergründe zu sprechen, die dazu führen, dass Fotografinnen in manchen Bereichen der Berufsfotografie weniger sichtbar sind. Was übrigens auch Auftraggeber bemerken und bemängeln.
Zunächst war ich skeptisch, an einer Gesprächsrunde zu dem Thema Frauenquote teilzunehmen. Denn meine persönliche Haltung dazu ist, dass ich mich in meinem Beruf nicht als Frau sehe, sondern einfach versuche, meinen Job zu machen. Einige der Talkteilnehmerinnen sahen das offenbar genauso. Alle Fotografinnen auf dem Podium sind gut ausgebildet, erfolgreich in ihrem Beruf und arbeiten für namhafte Werbeagenturen und Unternehmen. Mit ca. 10 % ist die Frauenquote in diesem Bereich tatsächlich besonders niedrig.
Einig waren sich alle Talkteilnehmerinnen und Teilnehmer in dem Punkt, dass genauso viele Fotografinnen professionelle und großartige Arbeit machen, wie ihre männlichen Kollegen, sie aber sichtbarer werden sollte. Auch herrschte Konsens in dem Punkt, dass viele Auftraggeber mehr Fotografinnen anfragen und beauftragen könnten. Aber in der Frage nach dem Engagement von Fotografinnen für ihre Arbeit wurde in der Diskussion deutlich, dass Fotografinnen zu oft unter dem Radar fliegen und sich mit ihrer Arbeit weniger zeigen. Ein Bildredakteur brachte es auf den Punkt und berichtete, wieviele Fotografen im Verhältnis zu Fotografinnen sich bei ihm in der Agentur vorstellen. Mit Ca. 80 % der Mappentermine sind die Männer deutlich überlegen, was die anderen Talkgäste bestätigten.
Ich persönlich bin sehr dafür, dass Frauen in der Berufsfotografie sichtbarer werden. Das fordern auch Auftraggeber wie zum Beispiel Werbeagenturen. Nur wollen das nicht unbedingt alle Fotografinnen. In meinen Workshops für Berufsfotografen spreche ich immer wieder mit Fotografinnen, die in ihrem Bereich der Auftragsfotografie absolut zufrieden sind und nicht nach Ruhm und Ehre in der Werbung streben. Die nicht für große Namen arbeiten möchten, keine komplexen Produktionen steuern oder mit großen Teams durch die Welt reisen wollen, weil sie sich dem Druck nicht aussetzen möchten. Dem Druck zu performen, Entscheidungen zu treffen und zu liefern. Einige Fotografinnen sind wählerisch und haben gelernt, sich selbst gut einzuschätzen und sich Rahmenbedingungen zu schaffen, die ihnen guttun. Leider schöpfen manche so ihr Potenzial nicht aus. Sie meiden die Herausforderung und kommen, von außen betrachtet, nicht an die attraktiven Jobs. Das ist aber ihre persönliche Entscheidung.
Ich habe oft versucht, Frauen als Talkgäste für Podien zu gewinnen, auch Frauen in Führungspositionen. Die meisten von ihnen sagen ab. Die Gründe dafür sind immer dieselben, abgesehen von dem chronischen Zeitmangel unter dem Frauen leiden, da sie sich in der Regel mehr um die Familie kümmern. Sie bringen sich nicht gern in Position in der Öffentlichkeit und sie haben das Gefühl, dass ihr Beitrag nicht wertvoll ist. Sie wollen lieber Machen als Reden.
Was führt dazu, dass Fotografinnen wachsende Aufmerksamkeit erfahren und ihre Mitarbeit gefragter ist? Erste Erfolge resultieren sicher auch aus der beharrlichen Arbeit einiger Vereinigungen zur Förderung von Frauenprojekten, wie Pro Quote Film, Notamuse oder Female Photographers. Obwohl es immer mehr Agenturen und Unternehmen gibt, die Frauen für ihre Jobs anfragen und auf die Gleichberechtigung achten, kann es nicht nur die Aufgabe der Auftraggeber sein, Fotografinnen zu fördern und für mehr Präsenz ihrer Arbeit zu sorgen. Das sollten diese selbst schaffen, indem sie sich mehr zutrauen, von sich mehr fordern und öfter über ihre Arbeit sprechen. Also Machen UND Reden! Sie haben jeden Grund dazu, denn sie machen kreativ und qualitativ oft hervorragende Arbeit.
Und es ist in Ordnung, dass nicht alle Fotografinnen die gleichen beruflichen Ziele oder Kunden verfolgen, sondern wählerisch sind, indem sie ihre Stressresistenz und ihre Persönlichkeit gut einschätzen.
Und was wählen Sie?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der Ziel- & Visionsfindung und einem erfolgreichen Auftritt sowie in der Honorar- und Nutzungsrechtegestaltung und der Kommunikation mit Kunden.