Jeder vierte Soloselbständige in der Kultur- und Kreativwirtschaft verdiente im Jahr 2022 weniger als 1.000 Euro netto, jeder fünfte mehr als 3.000 Euro netto im Monat. Dies ergab die Haushaltsbefragung Mikrozensus der Statistischen Bundes- und Landesämter*. Bei fast der Hälfte der Befragten lag das Jahresarbeitseinkommen im Jahr 2023 unter 15.000* Euro, bei rund einem Viertel zwischen 15.000 und 25.000 Euro. Damit haben laut Mikrozensus Soloselbständige, zu denen viele Berufsfotografinnen und Fotografen zählen, deutlich häufiger niedrige Einkommen als Erwerbstätige insgesamt in Deutschland.
Viele Kreativschaffende üben ihren Beruf mit viel Herzblut und Engagement aus und manche von ihnen erzielen gute Umsätze mit ihrer Arbeit. Aber der überwiegende Teil der Fotografinnen und Fotografen macht sich zu wenige Gedanken darüber, was ihr Leben kostet.
Wenig überraschend, der Mikrozensus zeigte ebenfalls deutliche Unterschiede nach Geschlechtern. Die Einkommen der Frauen lagen zwischen 15 und 24 Prozent unter denen der Männer, je nach Teil- oder Vollzeit Erwerbstätigkeit. Ein ähnliches Bild gewinne ich in meinen Workshops mit Fotografinnen und Fotografen zu den Themen Honorargestaltung. Die Arbeits- oder Tageshonorare der Fotografinnen liegen oft unter den Sätzen der Männer. Das liegt einerseits an fehlender Sicherheit in der Honorargestaltung aber auch an mangelnden Skills, wie Verhandlungs- und Kommunikationswissen. Abgesehen davon, ist auffällig, wie viele Fotografen keine solide Einnahmen-, Ausgaben- oder Umsatzplanung betreiben. Auf die Frage „Was kostet dein Leben?“ sind nur die wenigsten vorbereitet, übrigens auch Männer. Kaum jemand hat gelernt einen Businessplan zu machen und validiert seine Zahlen. Wenige kennen ihr reines Arbeitshonorar, weil sie anderes mit hineinrechnen, wie beispielsweise Datenhandling, Bildbearbeitung oder Nutzungslizenz.
Was das betrifft, fahren viele Fotografinnen und Fotografen auf Sicht und nach Bauchgefühl. Ob am Ende des Monats oder des Jahres genug da ist, wird sich schon zeigen, anstatt sich einmal grundsätzlich klarzumachen, was sie real zum Leben benötigen. Geschätzte 90 Prozent haben eine unzureichende Altersvorsorge. In Österreich hat die überwiegende Zahl der Berufsfotografinnen und Fotografen einen anderen Teil- oder Hauptberuf neben der Fotografie. Das lässt ihnen Spielraum für die Ausübung der Fotografie, die Preisgestaltung und die Auswahl der Kunden und sichert Lebensunterhalt und Sozialleistungen. Vielleicht ist das für die Berufsfotografen in Deutschland künftig auch ein interessantes Modell.
Nehmen DSie sich die Zeit, um Rückschau bezüglich des vergangenen Jahres zu halten und zu reflektieren. Fragen Sie sich ruhig, wie das Jahr gelaufen ist, was gut war und was Sie persönlich ändern wollen. Denn wie Sie sich Ihren Joballtag vorstellen, hat vermutlich viel mit Kreativität, Herzblut und Engagement zu tun. Aber einen erheblichen Motivationsschub, verbunden mit mehr Freiraum und Sicherheit für Ihre Lebensqualität gewinnen Sie, indem Sie sich Ihren Zahlen zuwenden. Daran sollten Fotografinnen und Fotografen denken: Eine monatliche Einnahmen- und Ausgabenplanung erstellen und unbedingt Rücklagen für Krankheit, Urlaub, Anschaffungen und Investitionen in die Altersvorsorge einplanen. Den Tages- oder Arbeitssatz für Fotografie festlegen und Umsatzziele definieren. Zudem regelmäßig den Umsatz und die Lebenshaltungskosten validieren.
Es wäre wünschenswert, dass die Gruppe der Soloselbständigen Fotografen dazu beitragen kann, die Statistik nach oben zu treiben und sich künftig besser absichert. Im Rahmen der Studie wurde die Vorbereitung auf die Selbständigkeit in Ausbildung oder Studium als nicht ausreichend bewertet. Besonders hoher Beratungsbedarf besteht bei den Themen Steuern, KSK und Altersvorsorge. Dass Soloselbständige künftig ihr Leben besser kalkulieren und finanzieren können, dafür tragen Berufsverbände und Ausbildungs-
organisationen Verantwortung, denn sie können für das Angebot an Weiterbildung und die Integration von unternehmerischen Aspekten in die Lehrpläne von Ausbildung und Studium sorgen. Nur so bleibt die Berufsfotografie eine Leidenschaft mit Gewinnerzielung.
Und was kostet Ihr Leben 2025?
Silke Güldner coacht Fotografinnen und Fotografen dabei, ihr Potenzial und ihre Kompetenz im Foto-Business zu entwickeln, zu präsentieren und zu verkaufen. https://www.silkegueldner.de
www.silkegueldner.de
*Quelle: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Studie-zu-Selbststaendigkeit-in-Kultur-und-Kreativberufen-Haeufig-prekaer-schlecht-abgesichert-und-kaum-vorbereitet,4709
*Für das Jahr 2022 wurden 15000 Euro als Schwellenwert der Armutsgefährdungsgrenze für eine alleinlebende Person festgelegt