Der Fotografenverband Freelens feierte kürzlich in Hamburg sein 30-jähriges Bestehen mit einem Symposium zum Thema „Das fotografische Bild im Zeitalter der generativen Bilderzeugung“, von dem das Titelzitat stammt. Abgehalten wurden ein journalistisches Panel und eines zum Thema Künstliche Intelligenz, besetzt mit Expertinnen und Experten der Themenbereiche. Das Bild, wem das Essen nun schmecken sollte, blieb mir im Kopf. Ich habe es als freundlichen Hinweis, Anregung oder gar Kritik verstanden, über neue Erlösmodelle innerhalb der Fotografie nachzudenken, anstatt Bilder zu produzieren, die keinen Markt finden. Das Publikum, größtenteils die Mitglieder des Verbands, hat dieser Appell zum Nachdenken angeregt. Denn er trifft das Desaster des Fotojournalismus, besonders in Anbetracht des trostlosen Anblicks der Magazinfotografie. Es stellt sich die Frage, wie gute Fotografie künftig „schmecken“ und sichtbar sein kann.
Auf dem journalistischen Panel des Symposiums gab Dirk von Gehlen, Leiter des Thinktank des SZ-Instituts, Einblick in die Strategien des Verlags und die Themen, mit denen sich Verlagshäuser in Bezug auf künftige Einnahmequellen und Geschäftsmodelle beschäftigen. Von ihm stammt auch das obige Zitat.
Mehr gesellschaftliche Meditation lautete dabei eine seiner Forderungen, zugleich eines der relevanten Themen, mit denen sich nicht nur Verlage auseinandersetzen. Denn wohin wir die Aufmerksamkeit der Gesellschaft lenken können, liegt, zumindest in der Medienbranche, in der Verantwortung der Verlage, der Journalisten und der Fotojournalisten.
Unabhängig davon, wohin die Aufmerksamkeit der Gesellschaft, bzw. das Interesse des fotografischen Publikums geht, gibt es zeitgleich aufwühlende Neuerungen in der künftigen Google-Suche, die unmittelbar Einfluss auf die Akquise- und Sichtbarkeitsstrategien von Fotografinnen und Fotografen haben. Viele von ihnen haben sich noch nicht einmal damit beschäftigt, wie sie ihre digitale Sichtbarkeit, bzw. die Sichtbarkeit und Vermarktung ihrer Fotoprojekte mithilfe der Suchmaschinenoptimierung gewährleisten und erhöhen können, da stellt die digitale Disruption die Erfolge, die manche durch professionelle Suchmaschinenoptimierung erzielen konnten, schon wieder in den Schatten. Aber damit „das Essen jemandem schmecken kann“, bleiben digitale Vermarktungsstrategien essenziell für Fotografinnen und Fotografen.
In einem Artikel* beschreibt der Netzökonom Prof. Dr. Holger Schmidt, dass laut einer aktuellen Analyse von Rand Fishkin inzwischen knapp 60 Prozent aller Google-Suchanfragen ohne externen Klick enden. Der Suchende bekommt also eine Antwort, navigiert aber nicht weiter. Diese Entwicklung hat sich mit den generativen KI-Antworten nochmals verschärft. Zwar behauptet Google, Nutzer würden dadurch insgesamt sogar mehr suchen und komplexere Anfragen stellen. Doch für die meisten klassischen Content-Anbieter zählen vor allem die wegbleibenden Klicks – und die lassen sich an harten Zahlen ablesen.
So geraten nicht nur Verlage und ihre Inhalte unter Druck, auch kleinere Websiteanbieter sind betroffen. Neben juristischen Schritten suchen viele Verlage den Dialog mit den Tech-Konzernen, um gewisse Inhalte zu freizugeben und andere Inhalte gegen Vergütung zu lizensieren, was künftig praktiziert wird.
Für den einzelnen Fotografen bleibt es vorerst unerreichbar, eine Vergütung mit der KI zu erzielen. Vielleicht kann es Aufgabe einer Vereinigung wie dem Deutschen Fotorat sein, das Gespräch mit den Tech-Konzernen zu suchen.
Was heißt das für die Fotografie? Es geht weiterhin um Sichtbarkeit, aber jetzt nicht in erster Linie für die Suchmaschine, sondern um Sichtbarkeit von Fotografie in der KI-Welt. „Die KI ist die neue Suchmaschine“, erläutert Roland Eisenbrand im Rahmen seiner Keynote auf der Leitmesse OMR 2025 in Hamburg. Chat GPT bekommt Daten von BING, der Microsoft Suchmaschine, und um gefunden zu werden, muss der Künstlichen Intelligenz erlaubt werden, die Websites der Anbieter zu crawlen. Was bedeutet, dass der Robots Text angepasst werden sollte, wenn Fotografinnen und Fotografen wollen, dass sie und ihre Projekte gelistet werden und weiterhin sichtbar bleiben.
Alles bleibt anders, die Suche wandelt sich gerade grundlegend und damit die Aufmerksamkeitsökonomie der Gesellschaft. Wenn das „Essen“ also gekostet werden soll, stehen Fotografinnen und Fotografen vor einer weiteren neuen Aufgabe.
Und wem schmeckt Ihr Essen?
Silke Güldner coacht Fotografinnen und Fotografen dabei, ihr Potenzial und ihre Kompetenz im Foto-Business zu entwickeln, zu präsentieren und zu verkaufen.
Foto oben: © Sophie Gutberlet
* Quelle: nom.de