Zwei große Ausstellungen werden ab Februar mit Werken des südafrikanischen Fotografen Pieter Hugo in Deutschland zu sehen sein: Die Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg trägt den „Between the Devil and the Deep Blue Sea“, die Ausstellung in der Kölner Galerie Priska Pasquer heißt „Peripheral Dispatches“.
Aufgewachsen im postkolonialen Südafrika, wo er 1994 das offizielle Ende der Apartheid erlebte, hat Pieter Hugo (*1976) ein feines Gespür für soziale Dissonanzen. Sensibel bewegt er sich mit seiner Kamera durch alle sozialen Schichten, nicht nur in seiner Heimat, sondern auch in Ruanda, Nigeria, Ghana, China oder den USA. In seinen soziokulturellen Gesellschaftsporträts erfasst Pieter Hugo die sichtbaren Spuren und Narben gelebter Biografien sowie erlebter Landesgeschichte. Pieter Hugo sucht die Wirklichkeit jenseits der Klischees. Er fotografiert dort, wo sich gesellschaftliche Konventionen auflösen, wo Normen zerbröckeln und das Haltlose und Strukturlose sich ausbreiten. Er blickt hinter die Oberflächen und stellt niemanden bloß. Er weiß, dass Schönheit und Armut, Verletzlichkeit und Würde einander nicht ausschließen. Und dass es eine Welt ohne Widersprüche nicht gibt. Pieter Hugo gehört heute zu den bedeutendsten Fotokünstlern des 21. Jahrhunderts.
Priska Pasquer „Peripheral Dispatches“
Die Kölner Galerie präsentiert die neuesten Werkgruppen von Pieter Hugo: “1994”, “Californian Wildflowers” und “Flat Noodle Soup Talk”.In Südafrika und Ruanda hat Pieter Hugo Kinder fotografier, die nach “1994” geboren wurden. Die Porträts entstanden in freier Natur und bedienen das romantische Klischee der “idyllischen” Kindheit in der “unberührten” Natur. Doch die Landschaft rund um die Dörfer ist getränkt vom Blut des Völkermords in Ruanda. Zwar haben die Kinder die Gräuel des Genozids und die Brutalität des Apartheidregimes nicht mehr erlebt, aber man meint doch in ihren ernsten Gesichtern lesen zu können, dass die Vergangenheit ihre Schatten in die zukunft wirft.
Der Tenderloin District in San Francisco ist ein sozialer Brennpunkt mit einer Vielzahl an Obdachlosen, Alkoholikern und Drogenabhängigen. Ein Outsider-Bezirk mitten im Zentrum der Stadt, in dem sich die Freak-Szene gegen die digitale Ökonomie des nahe gelegenen Silicon Valley behauptet. Pieter Hugo zeigt den District in „Californian Wildflowers“.
Die dritte in der Ausstellung gezeigte Werkgruppe, „Flat Noodle Soup Talk“, entstand 2015/16 in Peking. Der südafrikanische Künstler bezeichnet die chinesische Hauptstadt als den existenziellsten Platz, den er je erlebt hat. Auch hier hat er Reibeflächen aufgespürt, an denen die Komplexität des modernen Lebens sichtbar wird.
Zu sehen vom 11. Februar bis 15. April 2017
Kunstmuseum Wolfsburg – „Between the Devil and the Deep Blue Sea“
Was trennt uns und was verbindet uns? Wie leben Menschen jeglicher Couleur mit den Schatten kultureller Unterdrückung oder politischer Dominanz? Pieter Hugo geht diesen Fragen in seinen Porträts, Stillleben und Landschaftsbildern mit besonderer Prägnanz nach. Erstmals in Deutschland zeigt das Kunstmuseum Wolfsburg mit 254 Fotografien eine institutionelle Einzelausstellung des Künstlers, der weit über sein Land und seinen Kontinent hinaus Bedeutung hat. Sein besonderes Interesse gilt dabei den Subkulturen einer Gesellschaft, der Kluft zwischen Ideal und Realität. Obdachlose, Albinos, Aidskranke, Männer, die Hyänen, Schlangen und Affen zähmen, Menschen, die in endzeitlichen Szenarien Elektroschrott sammeln, oder Nollywood-Schauspieler in Kostüm und Pose finden sich in seinen Bildern genauso wie Familie und Freunde.
Ausstellungkatalog:
Ralf Beil, Uta Ruhkamp (Hg.), „Pieter Hugo. Between the Devil and the Deep Blue Sea”, mit einem Vorwort von Ralf Beil, einem Essay von Uta Ruhkamp sowie eigens erstellten Texten des Künstlers zu allen Fotoserien bis dato, deutsche und englische Ausgabe, 304 Seiten mit 242 Abbildungen, Prestel Verlag, Verlagsausgabe 49,95 Euro, im Museumsshop 32 Euro.
Zu sehen vom 19. Februar bis 23. Juli.2017
Bild oben: Mit Sohn Jakob Hogo aus der Serie “Kin” 2006-2013, copyright Peter Hugo, Priska Pasquer, KölnBild Mitte rechts: Untitled San Francisco, 2014 aus der Serie “Californian Wildflowers” copyright Peter Hugo, Priska Pasquer, Köln Bild Mitte links: Zeng Mei Hui Zi, Beijing aus der Serie “Flat Noodle Soup Talk”, 2015-16 copyright Peter Hugo , Priska Pasquer, Köln
Bild unten links: Guo Familiy, aus der Serie “Flat Noodle Soup Talk”, 2015-16 copyright Peter Hugo , Priska Pasquer, Köln