Die EU-KI-Verordnung (Regulation (EU) 2024/1689) führt eigenständige Transparenzpflichten ein, die besonders dort greifen, wo Bildinhalte mit Hilfe von KI realistisch erzeugt oder nachträglich so verändert werden, dass sie als echt wahrgenommen werden könnten. Was bedeutet das für Profifotografen?
Für Bild- und Bewegtbildschaffende entsteht durch die EU-KI-Verordnung ein verbindlicher Rahmen, der die Erkennbarkeit künstlicher Inhalte sicherstellen soll. Zentrales Bezugssystem ist Artikel 50 („Transparenzpflichten für Anbieter und Verwender bestimmter KI-Systeme“).
Kern der Regelung ist die klare Offenlegung bei sogenannten Deepfakes. Als Deepfake gelten Bild-, Audio- oder Videoinhalte, die per KI generiert oder so manipuliert wurden, dass reale Personen, Objekte, Orte oder Ereignisse täuschend echt erscheinen. Solche Inhalte müssen als künstlich erzeugt bzw. verändert gekennzeichnet werden, wenn sie öffentlich bereitgestellt oder verbreitet werden. Damit adressiert der Gesetzgeber das Risiko von Irreführung im visuellen Diskurs – unabhängig davon, ob ein Motiv vollständig generiert oder „nur“ realitätsnah retuschiert wurde.
Für Fotografie und Bildarbeit relevant sind die Ausnahmen und deren Grenzen. Künstlerische, satirische oder fiktionale Werke dürfen mit einem „geeigneten Hinweis“ gekennzeichnet werden, der die Rezeption nicht unzumutbar beeinträchtigt. Diese Ausnahme ist jedoch kein Freibrief: Auch im Kunstkontext muss erkennbar bleiben, dass ein Werk künstlich erzeugt oder substanziell manipuliert wurde. In journalistischen Umfeldern verlangt die Verordnung zudem Transparenz, wenn KI-Inhalte zur Information der Öffentlichkeit in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse eingesetzt werden.
In der Umsetzung rechnet der EU-Gesetzgeber mit technischen Standards und Branchenleitfäden. Neben klaren Text-Hinweisen (z. B. in Bildunterschrift, Impressum oder Bildnachweis) kommen maschinenlesbare Kennzeichnungen in Betracht, etwa über Metadaten-Signale bzw. künftige „Content Credentials“ nach branchenüblichen Spezifikationen. Solche technischen Markierungen sind nicht nur compliance-freundlich, sie sichern auch Lieferketten der Bildherkunft in Redaktions-, Agentur- und Archivsystemen ab.
Die Anwendbarkeit ist gestaffelt. Die Verordnung ist seit 1. August 2024 in Kraft; der Großteil der materiellen Pflichten – einschließlich der breiten Transparenzregeln – wird EU-weit erst nach Übergangsfristen zur Anwendung gebracht. Erste Elemente gelten bereits, die umfassenden Transparenzpflichten greifen nach dem veröffentlichten Fahrplan in der Breite aber erst zwei Jahre nach Inkrafttreten, weitere Konkretisierungen sollen per Durchführungsakten und Codes of Practice folgen. Für Bildproduzenten bedeutet das: Workflows sollten frühzeitig auf sichtbare Hinweise und, wo möglich, auf maschinenlesbare Herkunftsdaten umgestellt werden.
Praktische Implikationen für Fotografie und Bildredaktionen sind absehbar. Stock- und Editorial-Workflows werden Kennzeichnungspflichten systematisch abbilden müssen; Agenturen und Auftraggeber werden vermehrt Nachweise zur Entstehung verlangen. In Auftragsangeboten und Lieferscheinen empfiehlt sich eine klare Trennung zwischen klassischer Fotografie, KI-gestützter Nachbearbeitung und vollständig generierten Motiven. Je näher ein Ergebnis am dokumentarischen Kontext liegt, desto strenger fällt die Transparenzanforderung aus; je deutlicher ein Werk als künstlerische Konstruktion erkennbar ist, desto eher genügt ein dezenter, aber klarer Hinweis. In jedem Fall erleichtern konsistente Beschriftung, gepflegte Metadaten und revisionssichere Protokolle (Wer hat wann womit gearbeitet?) die Compliance entlang der gesamten Bildlieferkette.
Volltext der Verordnung: eur-lex.europa.eu










