Der am 15. Januar 2025 verstorbene amerikanische Künstler David Lynch (* 20. Januar 1946 ) war nicht nur Filmregisseur, -produzent, Drehbuchautor, Schauspieler, Maler, Lithograf, Bildhauer, Möbeldesigner und Komponist, sondern nicht zuletzt auch ein viel beachteter Fotograf.
Die Welt verliert mit David Lynch einen visionären Künstler, dessen Kreativität sich nicht nur im Film, sondern auch in der Fotografie eindrucksvoll manifestierte. Während er mit seinen Filmen wie Eraserhead, Blue Velvet und der Kultserie Twin Peaks die Grenzen des Kinos neu definierte, war seine Fotografie ein Medium, das die gleichen rätselhaften und düsteren Gefilde der menschlichen Existenz auslotete.
Lynch fand in der Fotografie ein Ventil, das ihn unabhängig von narrativen Konventionen arbeiten ließ. Seine Arbeiten waren oft geprägt von einer tiefen Faszination für das Unscheinbare, das Verfallene, das Schattenhafte. In einer Reihe wie The Factory Photographs tauchte er mit unvergleichlicher Hingabe in die Ästhetik des Zerfalls ein. Verlassene Fabriken, rostende Maschinen und von der Zeit gezeichnete Mauern wurden durch Lynchs Blick zu Metaphern für die Vergänglichkeit und den verborgenen Schrecken des Alltäglichen.
Sein Umgang mit Licht und Schatten war dabei von fast alchemistischem Charakter. Lynch verstand es meisterhaft, das Bedrohliche und Geheimnisvolle in die Einfachheit der Dinge zu bannen. Schwarzweiß war für ihn nicht nur ein Stilmittel, sondern eine Sprache, mit der er das Unausgesprochene und Unaussprechliche sichtbar machte. Die Texturen in seinen Fotografien – ob der raue Beton einer Wand oder der glatte Glanz einer Pfütze – waren keine bloßen Details, sondern fühlbare Elemente seiner Erzählung.
Nicht zuletzt widmete sich David Lynch auch der Aktfotografie, in der er eine ebenso außergewöhnliche, fast metaphysische Perspektive einnahm. Seine oft auch farbigen Aktstudien waren weit entfernt von klassischer Erotik und verwandelten den menschlichen Körper in abstrakte Landschaften. Lynch nutzte auch hier oft ungewöhnliche Blickwinkel und kontrastreiche Beleuchtung, um das Geheimnisvolle und Surreale im Körperlichen hervorzuheben. In seinen Werken verschwimmen die Grenzen zwischen sinnlicher Präsenz und entrückter Fremdheit – sie fordern den Betrachter heraus, den Körper neu zu sehen, nicht als Objekt der Begierde, sondern als lebendige, pulsierende Skulptur.
Als Fotograf war Lynch ein Suchender, jemand, der die Schönheit im Verborgenen und das Geheimnisvolle in der Banalität fand. Seine Werke zeigten uns nicht die Welt, wie sie ist, sondern wie sie sich anfühlt, wenn wir innehalten und genauer hinsehen.
David Lynch hinterlässt ein Erbe, das weit über seine ikonischen Filme hinausgeht. Seine Fotografien werden uns daran erinnern, wie sehr er das Potenzial der Kunst verstand, uns in andere Dimensionen des Sehens und Fühlens zu führen.
Foto: Helmut Newton, David Lynch und Isabella Rossellini, Los Angeles, 1983 (Ausschnitt) © Helmut Newton Estate