Leica präsentiert sich am 6. und 7. Mai auf dem OMR Festival 2025 in Hamburg. Warum das Traditionsunternehmen die Nähe zur kreativen Tech-Szene sucht und welche Rolle fotografische Authentizität in einer Ära von KI und Deep Fakes spielt, erklärt Technology & Innovation Experte Dimitri Biermann im Exklusiv-Interview mit ProfiFoto.

Dimitri Biermann, Managing Expert Software im Bereich Technology & Innovation der Leica Camera AG
ProfiFoto: Dimitri Biermann, Sie sind seit fast 20 Jahren bei Leica tätig. Wie hat sich Ihre Rolle als Systemarchitekt im Laufe der Zeit verändert – besonders mit Blick auf den zunehmenden Einfluss von KI?
Dimitri Biermann: Wenn ich auf meine fast zwei Jahrzehnte bei Leica zurückblicke, dann hat sich mein Berufsbild als Systemarchitekt grundlegend gewandelt. Anfangs stand ganz klassisch die Integration von Hardware- und Softwarekomponenten im Mittelpunkt, die vor allem mechanisch und elektronisch höchste Präzision leisten mussten. Heute registrieren wir Patente, unter anderem im Mobile-Imaging-Bereich, mit denen wir Algorithmen in der Smartphone-Fotografie geschützt haben. Außerdem beschäftigen wir uns mit der Frage, wie KI die Menschen dabei unterstützen kann, ein authentisches Bild zu machen.
ProfiFoto: Sie sprechen oft davon, Kameras „neu zu denken“. Wie definieren Sie dieses „Next-Level“-Denken konkret – und wie sieht für Sie die Kamera der Zukunft aus?
Dimitri Biermann: Für mich bedeutet „Next-Level“-Denken, Fotografie als das zu begreifen, was sie heute ist: ein Teil unseres Alltags. Es geht nicht nur um technische Perfektion, sondern auch darum, besondere Momente schnell und direkt mit anderen zu teilen.
Natürlich bleibt unser Anspruch bei Leica unverändert – Präzision und Qualität. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass unsere Kameras nahtlos ins Leben passen. Die Leica FOTOS App verbindet die Kamera mit dem Smartphone oder Tablet. Dadurch kann man Bilder spontan und einfach teilen – direkt aus dem Moment heraus.
Und wenn ich an die Kamera der Zukunft denke, dann sehe ich ein System das mitdenkt. Eine Kamera, die versteht, was der Nutzer will. Intelligente Software könnte helfen, Bildwirkung und Stimmung vorauszuspüren und den Fotografen gezielt bei einem authentischen Bild zu unterstützen. So wird die Kamera mehr als Technik – sie wird Teil des kreativen Prozesses.
ProfiFoto: Das Zusammenspiel von Hardware, Software und Benutzererfahrung ist zentral für Ihre Arbeit. Wie gelingt es Ihnen, diese drei Komponenten in Einklang zu bringen, ohne Kompromisse bei der Leica-DNA einzugehen?
Dimitri Biermann: Wir versuchen jeden Tag, an die Tradition von Leica anzuknüpfen und gleichzeitig technische Innovationen anzuwenden. Leica Camera ist seit über 100 Jahren Innovationstreiber und hat die Art und Weise, wie die Wirklichkeit aufgenommen wird, mit der Erfindung der Kleinbildkamera, dem Autofokus, der Präzision in der Optik und der erstmaligen Einführung von digitalen Wasserzeichen, den sogenannten Content Credentials, maßgeblich geprägt. Diese Arbeit setzen wir fort.
ProfiFoto: Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz bei der Weiterentwicklung von Leica-Kameras – insbesondere bei der Bildverarbeitung und Nutzerführung?
Dimitri Biermann: Künstliche Intelligenz kann den Fotografinnen und Fotografen helfen, schneller zu einem authentischen Bild zu kommen. Leica ist aber überzeugt, dass KI die Authentizität einer Fotografie niemals ersetzen, sondern nur Fotografierende dabei unterstützen kann, die Realität abzubilden.
ProfiFoto: Wie sieht Ihr Innovationsprozess aus – von der Idee bis zur fertigen Funktion in einer Kamera? Gibt es einen typischen Workflow oder eher kreative Freiräume?
Dimitri Biermann: Gerne würde ich sagen, dass dieser Prozess komplett strukturiert und vorhersehbar ist, aber dann wäre es wohl keine echte Innovation. Tatsächlich erinnert unsere tägliche Arbeit manchmal eher an eine gut organisierte Jazzband: Jeder bringt eigene Impulse und spontane Einfälle ein, improvisiert auch mal, passt sich den anderen an. Am Ende entsteht daraus etwas Großartiges, das mehr ist als die Summe der einzelnen Teile. Viele der spannendsten Funktionen entstehen bei spontanen Diskussionen am Kaffeeautomaten oder am Whiteboard. Und genau dieses Überraschungsmoment macht unsere Arbeit bei Leica so abwechslungsreich und spannend.
ProfiFoto: Welche technologischen Trends beobachten Sie aktuell besonders aufmerksam – und wo sehen Sie das größte Potenzial für die Zukunft der Fotografie?
Dimitri Biermann: Seit jeher ist Leica dem authentischen Bild verpflichtet. Insofern war es logisch, dass wir uns vor 4 bis 5 Jahren der weltweiten Content Authenticity Initiative (CAI) angeschlossen haben. Als erster Kamerahersteller weltweit integrierte Leica im Oktober 2023 den technischen Standard der Coalition for Content Provenance and Authenticity (C2PA) in eine Leica M11-P. Zuletzt wurde die Technologie in die Leica SL3-S integriert. Und so können immer mehr Bilder auf ihre Echtheit überprüft werden in einer Welt, in der immer mehr Menschen mit Fake-Bildern im Internet konfrontiert werden.
ProfiFoto: Inwiefern verändert Automatisierung den kreativen Prozess der Fotografie – wird die Technik zum kreativen Partner oder eher zur Herausforderung?
Dimitri Biermann: Wenn ich eine Leica Kamera in die Hand nehme, muss ich als Fotograf immer die Möglichkeit haben, alles mit der Hand einzustellen. Wir legen Wert darauf, dass man als Fotograf sein Wissen einbringen kann. Wenn also KI dazu führen würde, dass man schneller zu einem authentischen Bild kommt, dann würden wir es einsetzen, aber nur als Option für den Fotografen als Mittel für ein authentischeres Bild.
ProfiFoto: Was treibt Sie persönlich an, wenn Sie an neuen Lösungen für Fotograf*innen weltweit arbeiten – und was motiviert Sie, immer wieder über den Tellerrand hinauszuschauen?
Dimitri Biermann: Mich treibt vor allem die Neugier an – besonders an den Momenten, wo Technologie an ihre Grenzen stößt. Ich will verstehen, wohin sie uns noch führen kann, was heute schon möglich ist und was vielleicht erst morgen denkbar wird. Genau an dieser Schwelle beginnt für mich der spannende Teil.
Was dabei unglaublich hilft, ist das Team. Gerade weil wir aus ganz unterschiedlichen Disziplinen kommen – Technik, Software, Design – schauen wir automatisch aus verschiedenen Blickwinkeln auf ein Problem. Oft entsteht dadurch ein neuer Blick auf Dinge, die man alleine vielleicht gar nicht hinterfragt hätte. Dieses Zusammenspiel hilft uns, gemeinsam über den Tellerrand hinauszudenken – und manchmal sogar Wege zu entdecken, die wir vorher nicht mal gesehen haben.
Leica auf dem OMR Festival 2025
Auf dem OMR Festival 2025 trifft sich die internationale Digital- und Marketingbranche am 6. und 7. Mai in Hamburg. In einer Leica Masterclass diskutieren J. Konrad Schmidt, Jan Köppen, Maike Harberts und Ruediger Glatz, wie sich das visuelle Erzählen verändert und wie das Traditionsunternehmen Leica innovative Technologien nutzt, um das Wesentliche zu bewahren: die Echtheit des Moments.