Vom 15. März bis 18. Mai 2025 widmet das Fotomuseum WestLicht in Wien dem legendären Printmedium twen die erste umfangreiche Schau in Österreich
Provokant, sinnlich, neu! Ende der 1950er-Jahre platzte eine Zeitschrift in den biederen deutschsprachigen Illustriertenmarkt, deren Einfluss auf die nachfolgende Publizistik kaum größer hätte sein können. twen, ein in tiefes, existentialistisches Schwarz gehülltes Heft, schrieb gegen das Alte an, setzte auf Hedonismus, sexuelle Befreiung, Konsum und Jugendkultur und prägte so das kulturelle Denken einer ganzen Generation. Die radikale Gestaltung von Artdirector Willy Fleckhaus machte twen auch international zur Blaupause für eine Reihe von Magazinen: Nova und The Face in England, Actuel in Frankreich, der Wiener in Österreich oder Titel wie Vice wären ohne die von 1959 bis 1971 in Köln erschienene Zeitschrift kaum denkbar.
Die wegweisende Gestaltung von twen und die anhaltende Aktualität seiner Themen zeigt die Ausstellung, die exklusiv für diesen Anlass und in Kooperation von WestLicht und dem Münchner Kurator Hans-Michael Koetzle entwickelt wurde, anhand ausgewählter Fotografien, Doppelseiten, Heftcover und Bildstrecken ikonischer Fotografinnen und Fotografen wie Bruce Davidson, Will McBride, Peter Brüchmann, F.C. Gundlach, Charlotte March, Horst H. Baumann, Michael Friedel, Ulrich Mack, Art Kane, Barbara Niggl oder Thomas Hoepker.
Zeitlich zwischen Beatbewegung und Studentenprotest angesiedelt, übersetzte twen jugendliches Aufbegehren in große Optik. Fleckhaus erhob die Doppelseite zum eigenständigen Medium mit über den Bund laufenden, angeschnittenen Fotos, immer wieder unbedrucktem Raum und bildhaft eingesetzter Schrift. Unter seiner Regie wurde das Heft mit Bildstrecken von Irving Penn oder William Klein zum Schaufenster internationaler Kamerakunst und zum Sprungbrett für junge Talente wie Christa Peters, den Illustrator Heinz Edelmann oder den Journalisten Günter Wallraff.
In der Themenwahl gab sich die Zeitschrift, vor allem in den Anfangsjahren, ausgesprochen politisch, pazifistisch, antinazistisch, international und aufgeklärt. Mit Titeln und Storys zu jugendlicher Revolte, zu Abtreibung, APO (Außerparlamentarische Opposition), Gleichberechtigung, Homosexualität, Rassismus und Antisemitismus zog man gegen überkommene Ideologien und Normen zu Felde, gegen falsche Ethik und verkrustete Moral.
Einen Skandal und Antrag auf Indizierung wegen der Verletzung des „natürlichen Schamgefühls junger Menschen“ produzierte etwa Will McBrides 1960 in twen veröffentlichtes Foto seiner – vollständig bekleideten – schwangeren Frau Barbara. Jahrzehnte später lieferte das Bild die Vorlage für Demi Moores ikonisches Vanity Fair-Cover mit Babybauch, fotografiert von Annie Leibovitz, das wiederum eine Welle von Nachfolgerinnen inspirierte – von Rihanna über die Kardashians bis zu Beyoncé.
twen war das Kultobjekt der Dekade und zugleich für viele der Inbegriff des kulturellen Niedergangs. Das Blatt wurde geliebt oder gescholten, mit internationalen Preisen für Gestaltung überhäuft und auf den Index für jugendgefährdende Schriften gesetzt. Dazwischen schien es nichts zu geben. Wie unter einem Brennglas spiegelt twen den kulturellen Aufbruch der 1960er-Jahre, seine Errungenschaften wie seine Widersprüche, die bis in unsere Gegenwart hineinwirken.
- twen 2/1969, Doppelseite Fotografie Charlotte March Katinka Paech in Emmanuelle Khanh Courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- twen 2/1968, Doppelseite Fotografie Erich Klemm Courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- twen 11/1962, Doppelseite Fotografie Robert Freeman Courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- twen 6/1960, Doppelseite Fotografie Will McBride Courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- Peter Brüchmann Anastas, 1969 aus twen 11/1969 © Peter Brüchmann, courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- Bruce Davidson Brooklyn Gang, 1959 © Bruce Davidson / Magnum Photos, courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- Michael Friedel Peter Handke, Beatles-Konzert, Essen, 1966 © Michael Friedel, courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- Twen 11/1963, Doppelseite Fotografie Irving Penn Pablo Picasso Courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- twen 1/1961, Doppelseite Fotografie anonym Courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- Thomas Hoepker Aus dem Zyklus Im Bauch von New York, 1961 aus twen 1/1961 © Thomas Hoepker / Magnum Photos, courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- Horst H. Baumann Jim Clark auf Lotus 1963 © Horst H. Baumann, courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- Thomas Hoepker Aus dem Zyklus Im Bauch von New York, 1961 aus twen 1/1961 © Thomas Hoepker / Magnum Photos, courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- twen 3/1959, Cover Fotografie Barbara Niggl Courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- twen 2/1962, Cover Fotografie Christa Peters Courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- twen 12/1963, Cover Fotografie Irving Penn Courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- twen 6/1969, Cover Fotografie Guido Mangold Uschi Obermaier Courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- Michael Friedel Die späteren twen-Fotograf:innen Thomas Hoepker, Christa Peters, Erwin Fieger, Horst H. Baumann auf der photokina Köln, 1956 © Michael Friedel, courtesy Sammlung Hans-Michael Koetzle
- Charlotte March Donyale Luna mit Schmuck von Boutique Darling 1966 © Deichtorhallen Hamburg/ Harald Falckenberg – Nachlass Charlotte March
- Will McBride, Barbara McBride, schwanger mit Shawn, Berlin 1960 © Estate Will McBride/Shawn McBride
- Will McBride, Mike im Waschraum, Salem 1962 © Estate Will McBride/Shawn McBride