Zum zweiten Todestag von Tina Turner am 24. Mai erscheint bei TASCHEN das neue Programmhighlight Tina Turner by Peter Lindbergh. Über viele Jahre begleitete der Starfotograf die Sängerin als enger Freund und schuf rund 150 eindrucksvolle Porträts – auf der Bühne, backstage und in privaten Momenten.
Eingeleitet durch ein Vorwort von Tina Turners Ehemann Erwin Bach, ist dieses Buch eine intime Hommage an die Freundschaft und tiefe Verbundenheit zweier Künstler, die die kulturelle Landschaft geprägt haben. Oder, wie Tina Turner selbst sagte: „Wir waren Komplizen. Er war bereit, das Unmögliche zu wagen – genau wie ich! Zusammen haben wir Magisches geschaffen!“.
Denn Peter Lindbergh fotografierte keine Stars – er fotografierte Menschen. Das ist vielleicht das größte Kompliment, das man seiner Arbeit machen kann, und gleichzeitig das tiefste Verständnis seiner Kunst. Der Bildband Simply the Best zeigt das eindrucksvoll: Zwar steht mit Tina Turner eine der größten Bühnenfiguren des 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt, doch es sind nicht Ruhm oder Glamour, die Lindbergh interessiert haben. Es ist der Mensch dahinter – sein Wesen, seine Brüche, seine Schönheit im Unvollkommenen.
Lindberghs Fotografien wirken oft reduziert. Er setzte auf Licht, Schatten und Vertrauen. In diesem Band zeigt sich seine Meisterschaft besonders in der Balance von Nähe und Distanz – der Fähigkeit, Intimität herzustellen, ohne aufdringlich zu sein.
Lindberghs Umgang mit Licht ist ein leiser Akt der Offenbarung. Er nutzt es nicht zur Inszenierung, sondern zur Enthüllung. Meist arbeitet er mit natürlichem oder sehr reduziertem Licht – es fällt weich auf die Haut, betont Falten, Strukturen, Unebenheiten. Doch gerade das, was in anderen Bildern oft „retuschiert“ wird, gibt Lindberghs Werken Tiefe und Charakter.
Ein zentrales Stilmittel ist der bewusste Einsatz von Unschärfe und Körnung. Seine analogen Schwarz-Weiß-Aufnahmen tragen eine Textur, die fast greifbar wird – eine Haptik des Blicks, die mehr mit Erinnerung als mit Dokumentation zu tun hat. Die Kompositionen sind oft klassisch-zentralistisch, der Bildraum klar gegliedert. Und doch: Was wie eine einfache Anordnung wirkt, ist Ergebnis eines genauen Studiums von Körperhaltung, Blickrichtung, Schattenwurf. Tina Turner ist nie beliebig im Bild – sie ist immer Zentrum, aber nie bloß Objekt.
Auch der Raum spielt bei Lindbergh eine zentrale Rolle. Ob auf einem leeren Strand, im urbanen Gewusel oder hoch oben auf dem Eiffelturm – die Umgebung ist nie bloße Kulisse. Sie tritt in einen Dialog mit der Dargestellten. Der Raum öffnet sich, gibt Weite, lässt atmen. In anderen Bildern dagegen wird er eng, fast klaustrophobisch – ein Mittel, das Lindbergh gezielt einsetzte, um emotionale Zustände zu visualisieren. Manchmal wirkt Tina Turner klein im Bild, fast verloren – nicht aus Schwäche, sondern weil Lindbergh auch ihre stillen, verletzlichen Seiten zeigen wollte.
Was Lindberghs Porträts besonders auszeichnet, ist sein Gespür für Körpersprache. Tina Turner singend, tanzend, in Bewegung – aber auch in Momenten des Innehaltens, der Ruhe. Lindberghs Kamera ist hier nicht bloß beobachtend, sondern mitfühlend. Sie folgt nicht, sie antizipiert. Der Tanz, die Geste, der Blick – all das wird nicht eingefroren, sondern geradezu atmend konserviert. Seine Fotografie ist ein visuelles Gedicht, das zwischen den Momenten liest.
Simply the Best ist weit mehr als ein Prominentenband oder eine biografische Retrospektive. Es ist ein Manifest des Sehens – eine Feier des authentischen Moments in einer Bildwelt, die oft von Künstlichkeit überlagert ist. Peter Lindbergh zeigt Tina Turner nicht in Pose, sondern im Übergang. Nicht als Figur, sondern als Gegenüber. Er erlaubt uns, etwas von ihr zu erkennen, ohne sie zu erklären.
Der Band ist damit auch ein später Triumph der Porträtkunst in Zeiten flüchtiger Bilder. Lindberghs Werk erinnert daran, dass Fotografie dann am stärksten ist, wenn sie zurücktritt, wenn sie zulässt – wenn sie nicht manipuliert, sondern Menschlichkeit sichtbar macht.
*TASCHEN, Tina Turner by Peter Lindbergh, Erwin Bach, Hardcover, mit Ausklappseiten, 24 x 32.7 cm, 1.19 kg, 224 Seiten, 60 Euro