Mit dem Wechsel im Amt des Kulturstaatsministers endet eine Phase, in der die Fotografie politisch zumindest nicht vergessen wurde. Was ist für die Zukunft zu erwarten? Ein Kommentar von Thomas Gerwers.
Claudia Roth, die nun scheidende Amtsinhaberin im Kulturstaatsministerium, hatte die Gründung eines Deutschen Fotoinstituts von ihrer Vorgängerin Monika Grütters übernommen. Sie setzte sich klar für den Standort Düsseldorf ein und rief eine Expertenkommission ins Leben, deren Ergebnisse bislang jedoch nicht sichtbar wurden. Trotz aller offenen Fragen bleibt Roths Engagement für die Fotografie erkennbar – nicht zuletzt durch ihre langjährige Schirmherrschaft beim Fotogipfel Oberstdorf.
Jetzt geht der Staffelstab an Wolfram Weimer – einen kulturpolitischen Quereinsteiger. Weimer, ehemaliger Chefredakteur von Welt und Focus sowie Gründer von Cicero, bringt Medienkompetenz, aber keinerlei Erfahrung in der Kulturverwaltung mit. Damit steht die Fotografie – wie auch die übrige Kulturlandschaft – vor einer spannenden, aber ungewissen Zeit.
Im Koalitionsvertrag wird die Fotografie nicht eigens erwähnt. Doch zentrale Stichworte wie kulturelle Infrastruktur stärken, digitale Archive fördern und faire Künstlerhonorare sichern lassen erkennen: Es gibt Anknüpfungspunkte für konkrete Verbesserungen. Wenn die Fotoszene geschickt agiert, kann sie die allgemeine Offenheit für medien- und kulturpolitische Themen nutzen.
Besonders relevant: Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Förderung kultureller Infrastruktur macht Hoffnung für die Realisierung des Deutschen Fotoinstituts. Die beabsichtigte Digitalisierung des kulturellen Erbes ist in diesem Zusammenhang für die Archivierung und Sichtbarmachung fotografischer Bestände von hoher Relevanz.
Das Fotoinstitut ist im Koalitionsvertrag allerdings nicht namentlich erwähnt – kein gutes, aber auch kein schlechtes Signal. Die Strukturförderung für Museen und Archive, zu der sich die Koalition bekennt, könnte genutzt werden, um das Institut endlich zu verankern. Dafür braucht es jetzt eine klare politische Strategie und starken Lobbyismus – auch und gerade aus der Fotoszene selbst.
Weimers medienpolitische Herkunft könnte ihm helfen, das Thema Bildkultur auf die Agenda zu setzen. Aber: Ohne Druck und konkrete Vorschläge wird auch ein medienaffiner Kulturminister andere Prioritäten setzen.Abgesehen davon ist im Koalitionsvertrag die Rede von fairen Arbeitsbedingungen: Mindesthonorare könnten die prekäre Lage auch vieler Fotografen verbessern. Außerdem will die Koalition die Urheberrechte von Bildschaffenden im KI-Zeitalter besser schützen.
Die Fotoszene muss jetzt Forderungen formulieren, Netzwerke mobilisieren und das Deutsche Fotoinstitut als nationales Zukunftsprojekt positionieren. Der politische Spielraum ist da – aber genutzt wird er nur, wenn Fotografen, Institutionen und Verbände laut, konkret und entschlossen auftreten. Wolfram Weimer ist kein Automatismus für Fortschritt, sondern eine Einladung an die Fotoszene, endlich politisch ernsthaft für ihre Interessen einzutreten.