Während der Art-Basel/UBS-Kunstmarkreport 2025 von Rückenwind für Fotokunst berichtet, dokumentieren zentrale Ergebnisse einer BBK/Prognos-Studie die anhaltend niedrigen Einkommen vieler Kunstschaffender. Zusammen ergeben sie kein Datenproblem, sondern zwei Seiten derselben Realität: Der Spitzensektor wächst, die breite Basis bleibt ökonomisch fragil.
Der Markt für Fotokunst wächst in der Spitze, während das durchschnittliche Einkommen der Künstler niedrig bleibt. Dieser Widerspruch ist erklärbar, wenn man die Struktur des Feldes betrachtet.
Erstens ist die Nachfrage konzentriert. Die Wachstumsimpulse stammen von einer kleinen, finanzstarken Käuferschicht, die Fotografie als eigenständige Kategorie akzeptiert und zunehmend sammelt. Dieses Kapital fließt jedoch vor allem in sichtbare Positionen: etablierte Namen, bekannte Serien, galeriegestützte Programme, Messepräsenz. Der Zuwachs in Budgets und Transaktionen verteilt sich daher nicht linear auf alle Produzierenden, sondern verdichtet sich an Knotenpunkten des Systems.
Zweitens ist die Wertschöpfungskette fragmentiert. Zwischen Produktion und Verkauf stehen Kuratoren, Galerien, Messen, Agenturen und Plattformen. Sie schaffen Reichweite, binden aber auch Margen und verlangen Investitionen in Teilnahme, Logistik und Sichtbarkeit. Wer diese Schwellen nicht regelmäßig bedienen kann, bleibt trotz künstlerischer Qualität ökonomisch unterkritisch. Das erklärt, warum mehr Umsatz im Segment Fotokunst nicht automatisch zu mehr Einkommen auf breiter Front führt.
Drittens wirkt das Editionsmodell ambivalent. Es macht Fotografie sammelbar und vergleichbar, zwingt aber zu Preisdisziplin, Marketing und langfristiger Lagerhaltung. Ohne verlässliche Nachfragekanäle multipliziert eine Edition die Arbeit, nicht zwangsläufig den Ertrag. Gleichzeitig werden digitale Kanäle zwar wichtiger, doch der direkte Verkauf skaliert vor allem dort, wo bereits Reputation, Community und Mailinglisten vorhanden sind.
Viertens verschiebt KI die Erwartungen. Schnellere Produktion, Variantenvielfalt und Bildbearbeitung senken in Teilen die Schwelle zur „lieferbaren“ Qualität. In einem Publikum, das Tempo und Vielfalt belohnt, steigt der Druck auf Preise und Turnover – es sei denn, künstlerische Autorenschaft wird über Kontext, Materialität und kuratorische Einbindung klar markiert. Auch das trägt zur Spreizung zwischen Top-Positionen und Durchschnitt bei.
Die beiden Studien lassen sich so lesen: Die Spitze professionalisiert und internationalisiert sich, Fotografie ist im Portfoliomix der Sammler angekommen, die Kaufabsichten sind stabil. Gleichzeitig bleibt die breite Basis unterfinanziert, weil Zugangskosten, Mittlerstrukturen und die Notwendigkeit dauerhafter Sichtbarkeit die Einnahmen dämpfen. Beides ist wahr – und beides ist relevant.
Konsequenzen ergeben sich auf drei Ebenen. In der Praxis braucht es klar strukturierte Editionen, institutionelle Ankerkunden und professionelle Direktkanäle, damit Marktimpulse in individuelles Einkommen übersetzen. Auf der Mittler-Ebene sind transparente Vergütungen für Ausstellungen, faire Messemodelle und nachweisbare Vertriebsleistungen entscheidend, damit die Wertschöpfung nicht einseitig abfließt. In der Kulturpolitik schließlich bleibt die Aufgabe, KSK-Stabilität, projektübergreifende Förderung und Honorare im Ausstellungsbetrieb so auszugestalten, dass Kontinuität möglich wird.
Der vermeintliche Widerspruch markiert damit weniger ein Datenproblem als eine Verteilungsfrage. Die Fotokunst gewinnt an Marktstatus. Das Einkommen der meisten Kunstschaffenden steigt dadurch nicht automatisch. Entscheidend ist, ob die Brücken zwischen Sichtbarkeit, Vertrieb und Vergütung tragfähig gebaut werden – und ob die Regeln entlang der Kette dafür sorgen, dass künstlerische Leistung nicht am Schaufenster endet.
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